Aufpassen

Take Care

(Was Vierjährige eben so vor dem Einschlafen diskutieren wollen.)

Papa, wer ist Gott?

Viele Menschen glauben, dass es einen Gott gibt, der auf uns alle aufpasst.

Was glauben wir?

Was glaubst Du? Gibt es einen Gott?

Nein.

Und wer passt dann auf?

Na, Mama und Du.

——————-
Bild “Take Care” von tomthejet, Lizenz: cc-by-nc-sa 2.0

Pietätlos

Am Donnerstag früh verbreitete sich die Nachricht, dass die Schauspielerin Susanne Lothar mit 51 Jahren diese Woche “plötzlich” und “unerwartet” verstorben sei.

Mich triggert sowas. Aus persöhnlicher Erfahrung mit recht plötzlichen und unerwarteten Toten. Weil ich ihre Schauspielerei mochte. Weil es mich als Vater berührt, dass sie zwei nun vollwaise minderjährige Kinder hinterlässt.
Ich habe deshalb einige Nachrufe gelesen. Und bin angewidert.

Fast immer geht es darin voller Anerkennung darum, dass sie für die Schauspielerei Grenzen überschritten hat, sich ausgebeutet, die Extreme gezeigt,gesucht, ausgekostet hat, etc. pp. Vielleicht muss das so sein bei großen KünstlerInnen.
Aber beim Lesen fällt auch auf, dass es immer Macker waren, die sie als Regisseure für extreme Inszenierungen eingesetzt, wenn nicht verwendet haben. Ich kann nicht beurteilen, ob Susanne Lothar das selbstbestimmt so wollte oder vor allem im an sich ausbeuterischen Theaterbetrieb nicht anders konnte. Ich finde es aber schon etwas fragwürdig, das Phänomen unhinterfragt in die Lobhudelei eines Nachrufs zu übernehmen.

Mindestens grenzwertig fand ich, dass Lothars schauspielerischer Extremismus in den Nachrufen Print wie auch Online vielfach mit Bildern ihrer halbnackten Performance in Zadeks Lulu-Inszenierung illustriert waren. Natürlich auch bei der neubürgerlichen Boulevardpostille taz. Macht die bloße(!) Darstellung von Verletztsein eine große Schauspielerin aus? Ist ein solches Bild angemessen für einen Nachruf?
Ich sehe durchaus Argumente für die künstlerische Darstellung von Nacktheit auf der Bühne und verstehe, dass diese dann auch durch Fotos nach außen kommen, vielleicht sogar jenseits sexistischer Klischees der Werbung. Das Gemächt von Lars Eidinger kenne ich auch nicht nur von der Schaubühnenbühne direkt sondern aus den Feuilletons.
Aber in der Kombination der (Semi-)Nackheit der Lulu-Bilder mit dem oft schwärmerischen Beschreiben der Lotharschen Kunst, sich von (männlichen) Regisseuren schier kaputt inszenieren zu lassen, erscheint mir hier ein besonders voyeuristisch-sexistisches Amalgam in diesen Nachrufen zu entstehen.

Nun haben Nachrufe immer ein voyeuristisches Moment, aber dass hier die Ausbeutung der nun toten Künstlerin so auf die Spitze getrieben wird, ist schon besonders pietätlos.

Den Gipfel der Unmöglichkeiten hat allerdings für mich Mathias Matussek erklommen. Er durfte sich bei Spiegel Online (Kein Link aus Pietätsgründen) in der neuerdings so beliebten Gattung des “Nachrufs eines Promfreundes” üben. Das ist ihm insofern glänzend gelungen, als dass auch er im Nachruf vor allem über sich schreibt und Selbsterhöhung betreibt. Als guter Freund der Familie, implizit als früher Förderer der nun toten Schauspielerin, als offenbar größter Fan und so fort.
Dabei kommt er umfangreich auf die erwähnte Lulu-Inszenierung zu sprechen. Und delektiert sich an der künstlerischen Größe Lothars. Die für Matussek an diesem Punkt vor allem aus ihrem Erbrochenen und ihren für ihn eindeutig hässlichen Brüsten besteht.

Ob noch mehr Chauvinismus, Sexismus und Pietätlosikeit in einem Nachruf möglich ist? Noch mehr Degradierung zum Objekt männlicher Perversionen? Wer solche Freunde hat…

Ach, Sven

Ich war neu und wollte die Vorlesung zur Sozialgeschichte der Literatur hören. Und für ein Referat über die Roten Brigaden hatte ich mich auch schon angemeldet. Aber dann wurde mal wieder die Bildung zu Grabe getragen (wahlweise auch geklaut) und ein Vierteljahr später hatten wir uns derart für unsere Zukunft eingesetzt, dass wir uns in so einer Art Koalitionsverhandlung für den neuen AStA befanden. Als gute Geisteswissenschaftlerinnen hatten wir uns das Kulturreferat vorgenommen. Wie wir uns das denn vorstellen, wollte der alte Kulturreferent wissen. Lesungen, Filmvorführung, Konzerte, das übliche. Meinten wir. Ob wir da noch mal drüber reden könnten. Wie in: Da müssen wir nochmal drüber reden. Er schlug vor, sich zu treffen. In einer Ecke der Stadt, in der AStA-Referenten eher nicht wohnen. Direkt am Hinterausgang der S-Bahn-Station links. In der Tür ein schwerer, dicker Teppich, der die Kälte draußen und den Rauch drin ließ. Am Tresen Menschen mit grauen Haaren und grauen Gesichtern. In Baumwollsweatshirts und Karohemden. Drüber dünne Leder- oder Jeansjacken. Mehrheitlich langhaarig. Ausschließlich Selbstgedrehte. Hinterm Tresen die Wirtin. Und die kleine Küche für die Suppe und die belegten Brote. Oder den Salat. Mit Schafskäse. Und Oliven. Bis zehn. Danach nur Erdnüsse oder Salzstangen. Nach dem Tresen der Gastraum. Einfache Holztische und Stühle. Darauf ein Kästchen mit Bierdeckeln und alte Plastikascher. Wir reden. Der alte Kulturreferent hatte seiner Mutter ( wohnte in Bayern) zu Weihnachten einen alternativen Berlin-Roman geschenkt. Weil sie glaubt, er lebe so wie in diesem Romanen. Sagt er. Was wir denn unter Kulturpolitik an der Hochschule verstehen. Wir trinken Bier. Schultheiß oder Jever. Wir rauchen. Filterzigaretten. Dass wir einen unreflektierten Kulturbegriff hätten. Weil Kultur doch meist nur dazu dient, die entfremdete Masse zu benebeln. Ablenkung von all dem, was schief läuft in diesem Scheiß-System. Ihr wisst schon. Irgendwas mit Opium. Sagt er. Gauloises. Raucht er. Rote. Fürs revolutionäre Bewusstsein braucht es Marx statt Slam-Poetrie? Naja, so hart will er das auch nicht gesagt haben. Kommt immer drauf an, was für Kultur. Gibt ja auch welche, die sich gegen die herrschende Klasse wendet. Und er hat ja auch immer die billigen Karten für Oper und Schaubühne fürs Studentenwerk verkauft. Ist ja eh subventioniert. Und so. Neues Bier. Wir könnten ja noch Doppelkopf spielen, sagt er. Ich bestelle Salat. Mit Schafskäse. Und Oliven. Am Tresen diskutieren die Menschen mit den grauen Gesichtern und bohren sich Zeige- und Mittelfinger in die Rippen. Vor ihnen stehen Rotweingläser. Die Wirtin dreht am Lautstärkeregler der Musikanlage. Seit einer Weile schon läuft “Damals hinterm Mond.”

Warum ich erstmal keine elektronische Gesundheitskarte bekommen muss

Wie unzählige andere auch habe ich in den vergangenen Wochen Post von meiner Krankenkasse bekommen. Darin wurde ich aufgefordert, ein Passfoto einzusenden oder im Netz hochzuladen, mit dem die Kasse dann meine elektronische Gesundheitskarte (eCard) bestücken wollte.

Ich wollte das nicht. Nicht, weil ich komplett datenparanoid bin, sondern weil das konkrete Projekt unausgereift scheint. Im Zusammenspiel von bürokratischen und technischem Unvermögen sowie deutscher Datenschutzvorgaben ist ein meiner Ansicht nach völlig unbrauchbarer Zwitter entstanden. Im praktischen Einsatz quasi nutzlos, weil vom Datenschutz eingebremst und weil längst nicht alle Ärzte kompatible Technik und notwendige Netzugänge besitzen. Dafür aber technisch in der Lage, alles Mögliche über mich zu speichern ohne brauchbare Absicherung und Verschlüsselung. Quasi das schlechteste aus beiden Welten - Aluhüte und Postprivacy im dümmsten Mashup.

Zunächst habe ich deshalb die Post meiner Kasse ignoriert. Half nichts, sie schickten Erinnerungspost. Deshalb habe ich gestern Abend eine Mail an meinen Sachbearbeiter formuliert. Den ganzen Beitrag lesen

Berliner S-Bahn (gestrandet)

Für Peter

Da sitzt unter vielen anderen eine Person in einem fahrenden Zug. Zwischen zwei Bissen Rührei schaut sie aus dem Fenster des Bordrestaurantwaggons in den grauen Morgen. Hamburg liegt schon ein gutes Stück zurück, da steht auf einem Nebengleis an einem kleinen Bahnhof im Mecklenburgischen eine Berliner S-Bahn.

Die Farben des Zuges, das Dunkelkarmin, das Ochsenblutrot, das behäbige Gelb zerstreuten kurz aufkeimende Zweifel, ich hätte mich im Zug getäuscht. “Meine Damen und Herren, in wenigen Minuten erreichen wir unseren nächsten Halt, Jerichow. Dort erhalten sie Anschluss an eine Berliner Stadtbahn.” Ich stelle mir den Dispatcher als grinsenden Mann vor. Dabei weiß ich noch nicht einmal, ob Jerichow heute einen Bahnanschluss hätte. An der Berlin-Hamburger Bahn läge es nicht. Den ganzen Beitrag lesen

Mash my book up

Im Frühsommer fragte mich Sven, ob wir von der Märchenstunde nicht etwas zum Thema Copy/Paste für die dritte Ausgabe des Architekturmagazins urban spacemag beitragen wollen. Ich wollte und habe (siehe unten) und seit kurzem ist das Magazin gedruckt und gestern kamen meine Belegexemplare und was soll ich sagen? Ich bin total begeistert! So fern mir Understatement liegt und so sehr ich zu meinem Text (siehe unten) stehe, es ist was Besonderes zwischen so viel großartige Gedanken ein paar Zeilen hineinkopiert zu haben.
Das Copy/Paste-Heft des urban spacemag ist ein Architekturfanzine, stilecht mit selbstgeklebtem Cover und tollen Stories. Über kopierte Städte, seriellen Orientalismus, urbanes Unkraut, Rekonstruktionsglaubensfragen, Urheberrechtsprobleme an Gebäuden und eben mein Text zu Copy/Paste in der (eurozentrisitischen) Literaturgeschichte, den ich, siehe unten, hier zweitveröffentliche. Freundlicherweise mit den tollen Bildern von Frederike Busch, die den gedruckten Artikel so aufwerten.
Freunde der Architektur, Freunde der Literatur, Freunde der Kulturgeschichte, Freunde des Copy/Paste, Freunde des Graubrots, kauft dieses Magazin!

CTRL-X, CTRL-V ist zwar eine moderne Abkürzung, das Prinzip dahinter aber findet sich schon in alten Rhetorik-Lehrbüchern. Covern klingt nach Pop und Rock, ist dabei auch nichts anderes als das Wiedererzählen ein- und derselben Story. Den ganzen Beitrag lesen

Die Weihnachtsgeschichte von R.

R. hatte gerade eine Berufsausbildung abgeschlossen damals Zuhause. Dann änderte sich dort das System. Bald war Krieg. R. verfolgt das bis heute. Trauma sagen die Ärzte. R. hat später hier eine Frau kennengelernt und nach ein paar Jahren kam ein Kind. Er hat alles getan für dieses Kind. Außer ihm Grenzen zu setzen. Stundenlang hat er mit dem Kind gespielt, am Tag und in der Nacht. Oft hab ich ihn draußen am Spielplatz gesehen, wie er geduldig das Kind auf der Schaukel geschaukelt hat. Im vorletzten Sommer wurde R eingebürgert. Er wollte das, auch um endlich Arbeit zu finden. Da war das zweite Kind schon unterwegs. Und als es da war, hat R. noch mehr als sonst den Haushalt geschmissen, sich um das große Kind gekümmert, das kleine im Wagen herumgefahren.

Dann war Weihnachten. Und Schnaps. Und dann schlägt er auf seine Frau ein. Sie holt die Polizei. Sie zeigt ihn an. Auch für zwei andere Male aus den Wochen zuvor, bei denen sie die Polizei nicht gerufen hatte. Er bestreitet diese andere Male. Sie zieht mit den Kindern weg in eine andere Stadt. R. darf den Kontakt zu ihr nicht suchen. Er versucht, sich umzubringen, hat aber Schiss davor. Das Jahr wechselt. Er will seine Kinder wieder sehen. Er geht zur Therapie. Er hört mit dem Saufen auf. Konsequent. Kontrolliert durch den Amtsarzt. Er will seine Kinder wiedersehen. Die Anwältin seiner Frau hat Bedenken. Das Jugendamt hat Bedenken. Er kämpft um die Kinder. Er verbockt ein Vorstellungsgespräch. Manchmal geht er bei einem Freund im Laden aushelfen. Meist sitzt er dort nur herum. Wie in der Wohnung, die er penibel sauber hält. Wenn er nicht zur Therapie oder zu den Anwälten geht, um für ein Treffen mit den Kindern zu kämpfen.

Im Herbst darf er für eine halbe Stunde in der fremden Stadt, wo seine Frau mit den Kindern lebt, im Jugendamt unter Aufsicht eines Jugendamtmitarbeiters seine Kinder sehen. Das große Kind freut sich, fasst schnell Vertrauen. Das kleine Kind kann mittlerweile laufen und plappern. Sie spielen 20 Minuten zu dritt. R. hat ein Video davon. R. strahlt seit 10 Monaten zum ersten Mal wieder.

R. muss sich vor Gericht für seine Gewalttätigkeit verantworten. Er gesteht, bittet wiederholt um Entschuldigung und bekommt eine Bewährungsstrafe. In Absprache mit seinem Anwalt bietet er ein symbolisches Schmerzensgeld an. Das Gericht lobt seine Besserungsbemühungen.
Vor wenigen Tagen wird R. mitgeteilt, dass das zweite Treffen mit seinen Kindern abgesagt wurde. Ein Arzt der Frau hatte im Sommer, als sie in einer Reha-Maßnahme war, den Eindruck, dass das große Kind Scheu vor Männern habe. Und nach dem Vater-Kind-Treffen im Herbst hatte es schlecht geträumt. Vielleicht hat es ein Trauma durch den Vater, meinen seine Frau und das Jugendamt.
R. verbringt Weihnachten allein.

Mann! Mann! Mann!

The shark
Bild: cc-by-sa mpires

Ein Gastbeitrag von Kata Strophe:

Eines vorweg: Ich lasse jetzt mal so prinzipiell und ganz bewusst diesen ganzen unlesbaren Kram mit -Innen, _innen und /innen, diesen feministischen Quatsch, weg. Es ist ja klar, dass auch Frauen gemeint sind, aber das muss man ja nicht immer extra erwähnen und um die Männer hat man sich in letzter Zeit eh viel zu wenig gekümmert. Und die Leute, die hier in Deutschland leben, aber aus anderen Kulturkreisen sind, das sind ja Mitbürger, und irgendwie auch mitgemeint, aber muss man ja auch nicht immer so politisch korrekt alles dazu sagen, das ist doch allen längst klar. Und diese türkischen Machos, die will ich auch gar nicht mit einschließen, weil die respektieren uns deutsche Frauen ja auch nicht!

So. Ich möchte Ihnen einfach mal wieder schreiben und das auch mal etwas ausführlicher, denn so ein SPON-Artikel kann ja nur an der Oberfläche kratzen von der Oberfläche, auf der ich mich befinde.

Es ist mir ein Bedürfnis, mit Ihnen, dem Wähler, in Kontakt und Austausch zu sein, vor allem über das, was ich in letzter Zeit so gelernt habe, und worüber ich jetzt einfach mal laut nachdenke – und ich finde Ihre Kommentare dazu interessant. Mir liegt es auch ganz persönlich am Herzen, Sie gleich am Gelernten teilhaben zu lassen, weil ich denke ja so wie Sie, der Deutsche (also Deutschinnen würde sich ja auch bekloppt anhören) und ich muss Ihnen ja nicht erklären, wie Sie denken. Und wenn ich mal nicht so denke wie Sie, dann kann ich mich trotzdem total gut in Sie reinversetzen.

Zum Beispiel beim Thema Kinderkriegen. Das ist mir immer noch total wichtig und ich wünsche mir auch selbst welche, und deshalb weiss ich auch, wie es Ihnen, den Familien, geht, kenne Ihre Nöte und Sorgen. Ich habe ja schließlich auch Eltern. Und was ich nicht weiss, das hat Röschen gezeigt, wie das so ist bei der typisch deutschen Großfamilie mit Pony und unzähligen Golden-Retriever-Welpen. Kinder sind eben ein Geschenk des Himmels und eine Frucht der Liebe.
Wie man diese Gottesgabe mit unterwürfigem Geschlechtsverkehr in Verbindung bringen kann, das fällt auch nur diesen homosexuellen Alt-68ern ein! Geschlechtsverkehr ist lebensnotwendig für die Menschheit und sichert unseren Fortbestand, aber diese alten Feministinnen haben das irgendwie mit diesem komischen Mann-Frau-Gefasel in Verbindung gebracht und behauptet, dass das was mit Macht und diesem Hierarchiezeugs zu tun hätte. Man stelle sich das mal vor: eine Gesellschaft, die die Unterwerfung der Frau braucht, um fortzubestehen, das wäre ja ein Patriarchat, also ein entsetzliches System, in dem ich nicht leben wollte!

Und deshalb gibt es das ja auch nur bei den anderen Kulturkreisen, diesen Machokulturen, die ich ganz oben auf meiner Agenda habe, das versichere ich Ihnen, liebe Deutsche. In aller erster Linie ist es mir dabei wichtig, Sie, den Schüler auf dem deutschen Schulhof, vor diesen Anfeindungen aus dem anderen Kulturraum zu schützen. Denn diese Machos, die mögen Sie, ja uns Deutsche, nicht; dafür, dass wir nicht in so einem System leben, dass die Frauen unterwirft, feinden sie uns an. Und das ist dann nämlich auch Rassismus. Darüber habe ich in letzter Zeit echt viel gelernt, weil ich mich ja nun um diese ganzen extremistischen Initiativen kümmern muss.

Also: wenn so eine migrantische Minderheit uns Deutsche dafür hasst, dass wir einfach in der Mehrheit sind und privilegierter und eben nicht so machomäßig ticken, dann nennt man das Deutschenfeindlichkeit und da dürfen Sie, lieber deutscher Bürger, zurecht verärgert darüber sein. Und auch ängstlich ja, das dürfen Sie und ich nehme das sehr ernst, denn: diese Minderheit, die bei allen gesellschaftlich und politisch relevanten Prozessen und Positionen die Hebel in der Hand hält, die dreht den Spieß ratzfatz um. Und das wäre ja eine Gesellschaft, also in der wollte ich nicht leben!

Aber nochmal zurück zu dem Faden, den ich immer verliere, wenn ich mal wieder über so viel Neues nachgedacht habe: die Frauen, diese notorischen Geisteswissenschaftlerinnen. Ich meine, wir leben ja nicht in so einer türkisch-arabischen Machogesellschaft und daher ist ja wohl jede Frau selbst schuld, wenn Sie nicht Elektrotechnik studiert. Sie könnte ja, wenn sie denn nur wollte. Ich nenne das Chancengleichheit – man muss sie eben auch nutzen, die Chancen! Und wenn Frauen dann doch mal als Ingenieurinnen arbeiten und weniger als ihre Kollegen verdienen, dann ist das schon problematisch.
Aber es gibt da ja nicht so viele Frauen in der Branche, das Problem trifft also nur wenige. Eine Frauenquote, dieses Eingeständnis politischen Versagens, wäre da ja völlig verfehlt. Wir müssen die Jungen und Männer fördern und nicht noch diese Quoten-Störerinnen in die Chefetagen und Vorstände loben. Und marktwirtschaftlich gesehen ist doch auch eines klar: für Unternehmen zählt die individuelle Leistung und nicht das Geschlecht, da schreibe ich den Chefs doch nichts vor.

Meine Rezepte gegen all diese Probleme kennen Sie, meine lieben Herren:
Erstens frühe Deutschförderung, denn es kann ja nicht sein, dass man im eigenen Land nicht mehr versteht, wie man beschimpft wird. Und zweitens männliche Erzieher und Lehrer in Kitas und Schulen. Es grenzt nämlich fast an ein Wunder, dass es überhaupt so viele Männer in gut bezahlte Jobs und in die Chefetagen schaffen, bei der Übermacht von Frauen schon im Kindesalter.
Und die letzten Studien, meine Herren, die haben es bewiesen: Sie, der Mann, ist, im Gegensatz zu den Frauen, schlecht in der Schule, kränker, depressiver und mehr Herzinfarkt gefährdet, ergo: Sie sind das eigentlich vernachlässigte, schwache, ausgebeutete Geschlecht in einer angeblich männlich dominierten Gesellschaft und Arbeitswelt.
Aber wie soll das denn bitte gehen? Denn wenn Sie, der Mann, wirklich die Macht hätten, dann lebten wir ja in so einem Macho-Patriarchat und das wäre doch echt plemplem und mit mir ja auch nicht zu machen. Als Ministerin bin ich ja das beste Gegenbeispiel – und warten Sie ab, bis ich als erste Frau im Weltall Ehe, Kinder und Karriere vereinbare, ohne dabei so feministisch rum zu lamentieren, dass das unmöglich sei.

Und deshalb sage ich auch meinen Kritikern in aller Deutlichkeit: wer meine Befunde nicht teilt, der muss auch sagen, wie er es besser machen würde. Und da habe ich in den letzten Jahren, gerade aus der feministischen Ecke, noch keine gangbaren Wege vernommen. Sie wollen immer nur die Verhältnisse mal grundsätzlich in Frage stellen und das alles differenziert sehen.
Also ich bitte Sie, liebe Kritiker, es ist doch nicht so schwer: Deutschenfeindlichkeit ist auch Rassismus und Feminismus ist auch Männerdiskriminierung.

Und das ist ja auch das freche, ja peppige an dieser, meiner spritzigen neuen Generation von konservativen Frauen – wir denken unkonventionell. Denn, liebe Besitzstandswahrer der angeblichen Errungenschaften des Feminismus, man kann das Rad der Geschichte nicht einfach anhalten, man muss es auch mal ganz frech und mutig richtig weit zurück drehen!

Worm Tamer

Ich halte Grinderman 2 für ein wunderbar nichtinnovatives Album. Ganz ironiefrei. Und das Konzert vor einiger Zeit in der C-Halle war das beste Kopf-frei-Blasen seit Langem. Und weil ich mir dort die Paperbackausgabe von “The Death of Bunny Munro” besorgt habe: Das war zu Jahresbeginn die schmerzhafteste Lektüre seit Langem. Ich mag Nick Cave.

Pages: 1 2 3 4 5 6 7 8 ...17 18 19 Next