Achtung, dieser Text handelt von Twitter (Beispiel). Es ist also ein Web2.0-Insider-Text. Über Twitter, wie gesagt. Nur zur Vorwarnung.
Die Verstaatlichung von Privateigentum hat einen ganz großen Haken. Den nämlich, dass der Staat zwar theoretisch aus seinen Bürgern hervorgeht, praktisch aber meist durch die Regierung repräsentiert wird, die die Bürger auch in Demokratien eher wie Untertanen behandelt. Verstaatlichung bedeutet also meist, dass ein paar wenige, die meist von der Materie des jeweils Verstaatlichten keine Ahnung haben für die Bürger, mithin die Gesellschaft die Sache übernehmen. Und “für” meint nicht “zum Guten”, sondern “anstelle von”. Verstaatlichung ist also platt gesagt scheiße, wenn der Staat nicht in meinem Sinne handelt. Und wann tut er das schon.
In diesem Sinne unterscheidet sich dann auch Vergesellschaftung von Verstaatlichung. Wenn Privateigentum vergesellschaftet wird, gehört es wirklich allen. Und alle müssen sich dann auch drum kümmern. So einfach im Prinzip. Auch wenn es im Detail viele Fragen zu klären gibt (wie geht das, dass ALLE sich kümmern?), ich mag Vergesellschaftung sehr, wenn sie sich auf Dinge bezieht, die aus welchen Gründen auch immer ihrem Wesen nach Allgemeingut sind oder diesem ähneln.
Und wo mal wieder alle fragen, wann unser aller Lieblingsspielzeug des schnatternden Interwebs, Twitter, von wem (Google?) gekauft wird, weil das Spielzeug kostet ja Geld und ewig wird Twitter nicht irgendwelche Kohle verbrennen dürfen, kam mir die Idee:
Lasst uns Twitter vergesellschaften!
Warum soll so ein geiles Kommunikationswerkzeug in die Hände eines Konzerns oder von Banken geraten? Warum kaufen WIR das Ding nicht? Wir Twitterati?
Weil Träumer wie ich zu identi.ca gehören? Weil WIR uns das gar nicht leisten können?
Können wir nicht? Selbst wenn wir nicht revolutionär enteignen, sondern Twitter gemeinsam kauften (am liebsten zu einem Betrag der mit 140 losgeht), die paar hundert Euro, die wir Millionen Nutzer jeweils einzeln hinlegen müssten, entsprächen über die Zeit gerechnet, jedem üblichen Pro-Account bei anderen Services. Das ginge schon irgendwie, würden alle Seiten wollen.
Überhaupt: Wir Twitterati sind die Arbeiter der Firma und ihre Kunden. Wir sind im Plapper-Business wie eine landwirtschaftliche Kommune oder eine Genossenschaft. Wie Obstwiesenbesitzer, die im Herbst ihr Obst in die gemeinsame Kelter bringen, um dort gemeinsam Saft herzustellen, den dann jeder wieder mit nach Hause nimmt. Wir tragen unsere 140 Zeichen zu Twitter, dort werden sie mit den 140 Zeichen anderer vermengt und wir nehmen einen neuen Text mit zu uns.
Mit dem blöden Unterschied zu einer echten Genossenschaft, dass uns der Laden nicht gehört.
Das könnten wir ändern. Aber wahrscheinlich müssten wir rasend schnell sein.
Nur so ein Gedanke.
Von wegen Demokratisierung des Netzes und so.
Und wenn das mit Twitter geklappt hat, machen wir mit den anderen Social Networks weiter. Bis das Web uns Nutzern gehört. Schöne neue Welt.
Das Problem ist, dass das nichts am Bedarf nach einem Geschäftsmodell ändert - Server und Personal bezahlen sich damit immer noch nicht dauerhaft. Eine große Firma wie Google mag sowas nach einem Kauf weiter finanzieren, weil sie von gewissen Aspekten (Werbung, Nutzerdaten) des Dienstes “hintenrum” profitieren. Ein unabhängiges, nutzerInnengeführtes twitter müsste trotzdem monatlich irgendwoher Geld beschaffen, um bestehen zu können.
Hm.
Wenn ich ein Stück Twitter kaufen würde, müsst es immer funktionieren. Und ein paar Leute sollten nicht mehr mit machen dürfen dann, jedenfalls nicht von meinem Anteil aus.
Du verrückter Tüp. ;o)
Das ist ein hervorragende Idee. Die 343 Postillionen, die Twitter angeblich kosten soll, die haben wir doch schon nächste Woche zusammen. Viva la Twitterermonopolekapitalismusacción.
Jaaaa, lasst uns Twitterpoly spielen!!!
Ich kaufe mir die deutsche Timeline! Sozusagen die Turmstr.
… das gilt doch eigentlich für das ganze Netz 2.0, oder?
@Matthias: Die Frage der Weiterfinanzierung habe ich noch nicht angesprochen, klar. Aber wer jetzt durch Werbung oder andere Modelle die laufenden Kosten deckt, daran hängt doch nur bedingt die Frage, wem der Laden gehört.
@Sue: Das stimmt, Funktioneren müsste es. Aber darum kannst Du Dich ja dann kümmern. ;-)
Andere nicht mehr mitmachen zu lassen, diese (verständliche) Intoleranz ist oft das frühe Ende großer Utopien…
@Saint: Aber hallo! *g*
@Huck: (wenn ich jetzt schreiben würde, dass ist mehr Gedankenexpirment als ein Schlachtplan, dann wär ja die ganze Spannung futsch) Wenn wirklich alle drei(?) Millionen Twitterati jeder nach seinen finanziellen Möglichkeiten mitmachen würden, dann wären kleinere Milliardenbeträge drin.
UND ÜBERHAUPT: Eine derartige Vergesselschaftung würde nicht nur den großen Fischen im Netz ins Gesicht spucken, sie wäre auch noch international und der erste Schritt zu einer selbstgemachten Globalisierung im virtuellen Raum! Cool, oder?
@Björn Grau
Aber genau deswegen finde ich Twitter so sympathisch: Es ist sowas wie eine Tagesstätte für Misanthropen.
Hier sind wir zusammen und jeder für sich irgendwie.
Das hat was für sich - - - für Menschen, denen das etwas bedeutet.
Lustige Idee, auf alle Fälle, auch wenn das sehr nach IPO klingt. Also, keine Kommune, sondern: bringt Twitter an eine wie auch immer geartete Börse, macht es also der Öffentlichkeit zugänglich, anstatt die Optionen auf monolithische Investoren und Käufer zu beschränken.
Prozessuale Probleme kommen natürlich auf einen zu. Denn auch bei einer so breiten Anteilseignermasse müssen Entscheidungsfindungen irgendwie möglich sein.
Wie viele von Euch fallen denn noch auf diesen platten Slogan rein, der “Staat sei nicht der bessere Unternehmer”.
Wer leitet denn staatliche Unternehmen? Der Staat? Oder sind es doch ebenso kompetente Manager, die auch in rein privatwirtschaftlichen Unternehmen das Sagen haben. Wie das aktuelle Beispiel Deutsche Bahn zeigt, sind Leitungsfunktionen von quasi staatlichen Unternehmen (wie z.B. auch Volkswagen) auch für gestandene Manager aus der Industrie interessant genug. Und nur weil die Unternehmensziele nicht alleine auf Gewinnmaximierung bzw. Shareholder Value ausgerichtet sind, sondern eben auch auf das Gemeinwohl oder gesellschaftliche wichtige Aufgaben (wie die Sicherung der Mobilität der Gesellschaft durch die Bahn) soll das Unternehmen gleich schlecht geführt sein???
Alles unnötig, ganz im Ernst. Das einzige, was es braucht, ist ein offener Markt, in dem kommerzielle und nichtkommerzielle Anbieter ihre Twitter-Dienste anbieten können. Think Email!
Was die Welt braucht, ist also nicht ein zwar sozialisiertes, aber weiterhin monopolistisches Twitter - sondern Open Microblogging.
Ich will microbloggen können, wo ich will, und Microfeeds anderer Menschen von überall auf der Welt abonnieren können. Mit einer einheitlichen Adressierung wäre das kein Problem. Denselben Schritt hat Email auch gemacht, als sie sich von den Mailboxen und den Online-Diensten emanzipiert hat. Oder kann sich heute noch jemand an die ersten CompuServe-Emailadressen erinnern, die nicht standardkonform waren, weil CompuServe die interne Kennung, die aus unerfindlichen Gründen Kommas enthielt, einfach vor das @compuserve.com knallte? Eben.
Es gibt auch freie Alternativen zu Twitter…identi.ca zB.
Also ich find deinen Staatsbegriff ja sehr seltsam-als Untergebener fühle ich mich nicht ,höchstens missrepräsentiert. Meinetwegen kann Twitter verstaatlicht werden
Du meinst also, wir vergesellschaften zuerst ‘Twitter’, um dann über diesen Weg im longterm die Versorgung mit ‘Strom’, ‘Wasser’ und ‘Weizen’ zu vergesellschaften?!
Meist du nicht, dass es vielleicht Sinn macht, doch lieber bei der alten Reihenfolge zu bleiben?!
Oder ganz anders: Ich finde, wir sollten jetzt halt als erstes einmal anfangen die Polizei zu vergesellschaften.
Es wird höchste Zeit für ‘Nürnbergerprozesse 2.0′!
Maria und Petra:
Es ist zwar für mein Argument hinsichtlich Twitter nicht wichtig, aber: Bei einer Polizeipolitik wie zum G8-Gipfel vor zwei Jahren oder just zum Nato-Jubiläum oder wenn Politik gegen den offensichtlichen Mehrheitswillen der Bevölkerung durchgesetzt wird (Afghanistankrieg der Bundeswehr), dann sind wir schon mehr Untertanen.
Zu den Staats
betrieben ein Name: Mehdorn. Nein danke.
Cosmo:
Ich bin da mehr fürs Mögliche. ;-)
Im Ernst: Online Netzwerke leben von unserer Produktivität UND unserer Rezeption, also wenn irgendwas prädestiniert ist, allen zu gehören, dann das. Die Polizei wird von mir nicht produziert.