Ist schon komisch, mit unserem Mitgefühl. So richtig nahe gehen uns Sachen immer dann, wenn wir einen persönlichen Bezug haben.
1997 im September sind meine Tante und Onkel mit ihren damals kleinen Kindern in ihrem Ferienhaus in Umbrien. Die circa zweihundert Jahre alte Ruine und damit meine Verwandschaft überlebt das schwere Erdbeben, dessen Epizentrum keine 50 Kilometer entfernt ist und bei dem halb Umbrien und die Marchen inklusive unwiederbringlicher Kulturschätze in Trümmer zerfallen, viele Menschen Heim, Hab und Gut verlieren und 12 von ihnen sterben.
31. Oktober 2002. Seit rund vier Wochen lebe ich nun unweit von Pescara am Rande des Apennin. Ich befinde mich in einem Keller als die Erde bebt. Das Epizentrum liegt dieses Mal in Molise, rund 130 Kilometer entfernt. 30 Menschen, darunter eine komplette Grundschulklasse, sterben. Ich habe vom Hauptbeben nichts mitbekommen, vielleicht, weil Beben unter der Erde nicht so zu spüren sind? Ich weiß es nicht. Aber die Nachbeben reißen mich aus dem Bett, vom Schreibtisch. Dieses widerliche Schaukeln, wie auf einem Schiff, dass aber keines ist. Die Erfahrung, dass der Erdboden keine Sicherheit bietet. Viel unangenehmer: Das geht alles so schnell. Immer nur ein paar Sekunden. Gar keine rechte Zeit, was zu tun. Fliehen oder so. Ich wohne damals in einem mehrstöckigen Mietshaus an einem Steilhang. Unschönes Gefühl.
Dazu die Trauer um mich herum. Viele, mit denen ich hier zu tun habe, kommen aus Molise, haben Bekannte in San Giuliano di Puglia, wo die Kinder starben und auch sonst das Beben am schlimmsten war.
L’Aquila, wo nun die Erde bebt(e), liegt geographisch zwischen den beiden vorangegangenen Beben in Mittelitalien. Ich habe abgesehen von diversen Durchfahrten und einem Ausflug zum Gran Sasso keinen direkten Bezug dorthin. Aber drum herum. Zeitlich wie örtlich. Mir geht diese Katastrophe näher als andere. Unlogisch, so sind Emotionen.
Ich will helfen. Aber wie? Bei Facebook gibt es eine entsprechende Gruppe. Da kann ich mich solidarisch zeigen. Nun gut… Dort gibt es Adressen von Blutspendestationen in der Gegend. Ich bin aber in Berlin (wobei auch hier eine Blutspende helfen kann). Und es gibt ein Spendenkonto des Italienischen Roten Kreuz. Auslandsüberweisung nach Italien sind nicht so schwer. Immerhin.