Mash my book up

Im Frühsommer fragte mich Sven, ob wir von der Märchenstunde nicht etwas zum Thema Copy/Paste für die dritte Ausgabe des Architekturmagazins urban spacemag beitragen wollen. Ich wollte und habe (siehe unten) und seit kurzem ist das Magazin gedruckt und gestern kamen meine Belegexemplare und was soll ich sagen? Ich bin total begeistert! So fern mir Understatement liegt und so sehr ich zu meinem Text (siehe unten) stehe, es ist was Besonderes zwischen so viel großartige Gedanken ein paar Zeilen hineinkopiert zu haben.
Das Copy/Paste-Heft des urban spacemag ist ein Architekturfanzine, stilecht mit selbstgeklebtem Cover und tollen Stories. Über kopierte Städte, seriellen Orientalismus, urbanes Unkraut, Rekonstruktionsglaubensfragen, Urheberrechtsprobleme an Gebäuden und eben mein Text zu Copy/Paste in der (eurozentrisitischen) Literaturgeschichte, den ich, siehe unten, hier zweitveröffentliche. Freundlicherweise mit den tollen Bildern von Frederike Busch, die den gedruckten Artikel so aufwerten.
Freunde der Architektur, Freunde der Literatur, Freunde der Kulturgeschichte, Freunde des Copy/Paste, Freunde des Graubrots, kauft dieses Magazin!

CTRL-X, CTRL-V ist zwar eine moderne Abkürzung, das Prinzip dahinter aber findet sich schon in alten Rhetorik-Lehrbüchern. Covern klingt nach Pop und Rock, ist dabei auch nichts anderes als das Wiedererzählen ein- und derselben Story. Den ganzen Beitrag lesen

Die Weihnachtsgeschichte von R.

R. hatte gerade eine Berufsausbildung abgeschlossen damals Zuhause. Dann änderte sich dort das System. Bald war Krieg. R. verfolgt das bis heute. Trauma sagen die Ärzte. R. hat später hier eine Frau kennengelernt und nach ein paar Jahren kam ein Kind. Er hat alles getan für dieses Kind. Außer ihm Grenzen zu setzen. Stundenlang hat er mit dem Kind gespielt, am Tag und in der Nacht. Oft hab ich ihn draußen am Spielplatz gesehen, wie er geduldig das Kind auf der Schaukel geschaukelt hat. Im vorletzten Sommer wurde R eingebürgert. Er wollte das, auch um endlich Arbeit zu finden. Da war das zweite Kind schon unterwegs. Und als es da war, hat R. noch mehr als sonst den Haushalt geschmissen, sich um das große Kind gekümmert, das kleine im Wagen herumgefahren.

Dann war Weihnachten. Und Schnaps. Und dann schlägt er auf seine Frau ein. Sie holt die Polizei. Sie zeigt ihn an. Auch für zwei andere Male aus den Wochen zuvor, bei denen sie die Polizei nicht gerufen hatte. Er bestreitet diese andere Male. Sie zieht mit den Kindern weg in eine andere Stadt. R. darf den Kontakt zu ihr nicht suchen. Er versucht, sich umzubringen, hat aber Schiss davor. Das Jahr wechselt. Er will seine Kinder wieder sehen. Er geht zur Therapie. Er hört mit dem Saufen auf. Konsequent. Kontrolliert durch den Amtsarzt. Er will seine Kinder wiedersehen. Die Anwältin seiner Frau hat Bedenken. Das Jugendamt hat Bedenken. Er kämpft um die Kinder. Er verbockt ein Vorstellungsgespräch. Manchmal geht er bei einem Freund im Laden aushelfen. Meist sitzt er dort nur herum. Wie in der Wohnung, die er penibel sauber hält. Wenn er nicht zur Therapie oder zu den Anwälten geht, um für ein Treffen mit den Kindern zu kämpfen.

Im Herbst darf er für eine halbe Stunde in der fremden Stadt, wo seine Frau mit den Kindern lebt, im Jugendamt unter Aufsicht eines Jugendamtmitarbeiters seine Kinder sehen. Das große Kind freut sich, fasst schnell Vertrauen. Das kleine Kind kann mittlerweile laufen und plappern. Sie spielen 20 Minuten zu dritt. R. hat ein Video davon. R. strahlt seit 10 Monaten zum ersten Mal wieder.

R. muss sich vor Gericht für seine Gewalttätigkeit verantworten. Er gesteht, bittet wiederholt um Entschuldigung und bekommt eine Bewährungsstrafe. In Absprache mit seinem Anwalt bietet er ein symbolisches Schmerzensgeld an. Das Gericht lobt seine Besserungsbemühungen.
Vor wenigen Tagen wird R. mitgeteilt, dass das zweite Treffen mit seinen Kindern abgesagt wurde. Ein Arzt der Frau hatte im Sommer, als sie in einer Reha-Maßnahme war, den Eindruck, dass das große Kind Scheu vor Männern habe. Und nach dem Vater-Kind-Treffen im Herbst hatte es schlecht geträumt. Vielleicht hat es ein Trauma durch den Vater, meinen seine Frau und das Jugendamt.
R. verbringt Weihnachten allein.