Worm Tamer

Ich halte Grinderman 2 für ein wunderbar nichtinnovatives Album. Ganz ironiefrei. Und das Konzert vor einiger Zeit in der C-Halle war das beste Kopf-frei-Blasen seit Langem. Und weil ich mir dort die Paperbackausgabe von “The Death of Bunny Munro” besorgt habe: Das war zu Jahresbeginn die schmerzhafteste Lektüre seit Langem. Ich mag Nick Cave.

Mittekinder

Heute war ich am Hackeschen Markt einkaufen. Weil es da einen Wochenmarkt und einen großen Bioladen gibt und ich also Mangold, Schwarzkohl, Rote Beete, glückliche Wurst, edle Pasta, mediterrane Frischkäsezubereitungen, tollen Kuchen, ausgefallene Joghurtsorten, handgemachten Börek und Strudel nicht nur frisch sondern überhaupt bekomme.
Das alles allerdings hat seinen Preis: Die Kinder der anderen.

Schon vor dem Aufzug im Bahnhof diskutiert eine geschätzt Vierjährige im Flokati laut protestierend mit ihrer Mutter wegen irgendetwas. Die Mutter nimmt ihre Hand, zeigt auf einen der äußerlich unversehrten Kinderfinger und erwidert: “Anais das ist eine Wunde, das geht nicht mehr weg, da müssen wir jetzt wohl zum Arzt, das muss operiert werden.” Dann kommt der Aufzug und Anais’ Mutter stiefelt Anais hinter sich herziehend in den Aufzug ohne hinter sich die Schlange an Kinderwägen, Rollstühlen und Rentnern zu beachten. Sollen doch die die Rolltreppe nehmen.

An der Wursttheke drängelt sich Paul vor mich. Er müsste wochentags so in die zweite Klasse gehen, jetzt wirft er sich gegen die Scheibe der Wurstauslage, tatscht darauf herum und macht mit der Zunge Schlieren aufs Glas. Seine Mutter kommt hinzu: “Paul, magst Du heute die Wurst kaufen? Ja?” Die Fleischereifachverkäuferin ignoriert das vor ihr stehende Kind gekonnt und dreht mir genüsslich ein Pfund Hack durch den Wolf.
Pauls kleiner Bruder prügelt indes energisch auf den Hintern seiner Mutter ein. Die fährt ihn an: “Ich hab Kopfschmerzen, verdammt!”

An der Kasse des Bioladens steht eine Eistruhe. Davor schreit ein Mädchen, dass sich mit aller Kraft an der halboffenen Truhe festhält, weil die Mama ihm kein Eis kaufen will. Die Mama zerrt am Kind, reißt an ihren Gliedmaßen und ruft den verstört zu ihr blickenden Mitmenschen: “Da muss man konsequent sein.”

Eigentlich hätte dieser Text “Mitteeltern” heißen müssen.

Do you geht what you see?

Die Berlinale hat ein etwas kompliziertes Ticketverkaufsprocedere. Es gibt nur ein geringes Kontingent der Karten online, der Rest geht über den Reallife-Vorverkauf am Kartenhäuschen oder an der Tageskasse weg. Der Reallife-Vorverkauf startet in der Regel drei Tage vor der Erstaufführung eines Films auf dem Festival, Wiederholungen sieht ab vier Tage im Voraus zu haben. Für ausgewählte Kinos, Sektionen und den gesamten Publikumssonntag am Ende des Festivals gilt die Beschränkung aber nicht.
Das führt bei der Vielzahl an Filmen, die hier in Berlin in diesen Tagen laufen, schnell zu heillosem Chaos in der eigenen Kinobesuchsplanung. Auch braucht diese Planung in ihrer Umsetzung viel Zeit, muss man doch mehrere Male stundenlang an den Vorverkaufskassen anstehen, um dann doch nie alle Tickets zu bekommen, da einige Filme mittlerweile schon ausverkauft sind.

Dieses Planungschaos setzt sich spätestens dann im Filmkonsum und dadurch im eigenen Kopf fort, wenn der dritte Film am Tag läuft oder der vierte Festivaltag angebrochen ist. Dann bist du drin in der Parallelwelt aus großen Leinwänden und dunklen Sälen, aus Geschichten und Bildern, das Rennen von Kino zu Kino, der viel zu kurze Schlaf zwischen Spät- und Frühvorstellung.
Da passt es gut, dass die Illusionsmaschine Kino seit jeher gern die Frage nach dem Verhältnis von Realität und Einbildung stellt und auch diesen Winter wieder viele Filme unsere Wahrnehmungs- und Sehgewohnheiten auf die Probe stellen.

Schade, wenn das so platt wie in “Shutter Island”, Martin Scorsese neuem Film über Wahnsinn und Traum, passiert. Da kann Leonardo di Caprio noch so intensiv spielen, wenn eine ausgelutschte Bildmetaphorik des Wahnsinns (Sturm! Blitze! klaustrophobische Kapellen! Verwinkelte Treppenhäuser!) und düstere Filmmusik das eh schon Offensichtliche eins zu eins darstellen sollen und uns die Figuren dann auch noch erzählen müssen, wie kafkaesk das alles ist.. ach nein.

Aber zum Glück laufen ja noch ein paar hundert Filme, die nicht eh später im Blockbusterkino gezeigt werden.
“One day” zum Beispiel, eine herrlich langsamer Liebesfilm aus Taiwan um zwei gerade Erwachsene junge Menschen. Wenig Worte, viele elend lange und simple Einstellungen und dann bricht völlig überraschend Horror oder Absurdität ein in die Traumwelten zweier Verliebter. Die beiden verbindet ein Traum, den sie am Beginn der erzählten Geschichte träumt und er am Ende. Wenn nicht ein ganz anderer Teil des Erzählten ein Traum ist. Letztlich ist es im Leben wie mit Noppenfolie, so der Film. Irgendwas muss platzen und das ist auch schön.

Manchmal haben Wahrnehmen und Sehen etwas mit Zufall zu tun. Ich wusste nicht, dass mein alter Freund Thomas auch dieses Jahr wieder bei der Berlinale arbeitet. Wir haben ihn am Sonntag zufällig am roten Teppich des Berlinale Palastes stehen sehen in der Uniform der Kartenkontrolleure. Wir hatten nicht auf dem Schirm, dass jetzt gleich Ben Stiller hier ins Kino geht. Aber als Thomas uns Plätze neben den Pressefotografen klar macht, sagen wir nicht nein.
So nah siehst Du so jemanden ja nicht alle Tage. Konnte ja keiner ahnen, dass der Akku unserer Kamera schlapp macht, nachdem wir Klaus Wowereit geknipst hatten, aber Ben Stiller noch nicht eingetroffen war. Also keine Erinnerungsbilder mit Ben.

Dass ich spätabends dann die Premiere von Banksys “Exit through the Gift Shop” sehen würde, war mir auch nicht klar. Ich war nur verwundert, dass wir alle, die wir ins Kino gingen, dabei von Fernsehkameras und Pressefotografen eingefangen wurden. Da war wohl der Festivalleiter schuld dran, hat er doch behauptet, der große unbekannte Banksy selbst sei in der Stadt und vielleicht ja auch im Kino. Und die Journalisten und wir alle fragten uns. Ist er da? Bin ich etwa? Nein, das fragten sich wohl eher weniger. Neben mir saß er auch nicht. Außer er ist eine deutsche Frau. Sein Film allerdings zeigt neben einer kleinen Geschichte der Streetart, sehr unterhaltsam wie Kunst und Kunstmarkt durch Schein und Vernebelung funktionieren.

Ich muss los, rein in die Wahrnehmungsüberforderung. Heute sind noch zwei Filme auf dem Programm und zwischendurch nochmal für Karten anstehen. Ich mag die Berlinale.

Von Adventskalendern, Bands, Pferden, Beerdigungen und Möhren

Eigentlich poste ich hier und jetzt nur ein Video von einem Lied, das ich mag. Aber wie es dazu kam, will ich euch zuvor nicht vorenthalten.

Der Phil hat den Delphin mit einem Video gehauen, weil der wahre Björn in seinem Blog nach langer Pause (kenn ich irgendwoher, das Phänomen) mal wieder was raushaut, nämlich einen Adventskalender, in dem hinter dem fünften Türchen tolle Musikvideos waren, unter anderem auch eins, wie Band of Horses “Funeral” intonieren, was eben den Phil an sein Video erinnerte.
Mich erinnerte der Titel “Funeral” an mein aktuelles Lieblingslied “P.S., You Rock My World” von Eels, welches wie folgt beginnt: I was at a funeral the day I realised, I wanted to spend my life with you.
Schön, nicht?

Jetzt fand ich im Web von diesem meinem aktuellen Lieblingslied leider kein Video, das meinen Wünschen bezüglich Tonqualität und Bildfolgenspannung entsprach, weshalb ich es hier nicht einbetten wollte.
Allerdings gibt es das wundervolle Video von “Last Stop: This Town” (auch Eels), das mich damals zum Eels-Freund machte und auch entfernt mit Beerdigungen zu tun hat, beginnt es doch mit: “You’re dead but the world keeps spinning.”


(Direktletzterhalt)

Hypnotized

Im schlimmsten Fall klingt es wie Stuttgart nachts auf der Theodor-Heuss-Straße im Sommer 2002. Und das sind dann doch schöne Erinnerungen. Im besten Fall lässt es den Sommer noch lange weitergehen:


(Direkthypnose, letztlich via)

Flipping Out

Es war einer der für mich bewegendsten und erhellendsten Filme der Berlinale 2008: Flipping Out, die Doku über junge Israelis, die nach dem Militärdienst nach Indien reisen und da nicht immer ganz klarkommen, um es mal zu untertreiben. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie Krieg die Kinder eines ganzen Landes frisst.

Bei René habe ich gelesen, dass der Film nun eine Woche lang online bei arte zu finden ist.
Hier habe ich mir ausführlich über den Film Gedanken gemacht.

Incancellabile

Ja, verdammt, ich hab mir Sorgen gemacht. Und dann melde ich mich, weil ich wissen will, wie es geht (ja, ich könnte mich auch so öfter melden) und du gehst ran und im Hintergrund läuft Laura Pausini.

Wildes Schnüff

Ich habe davon gehört und mich darüber gefreut. Dann habe ich den Trailer (Äonen nach allen anderen) gesehen und musste weinen. Aus Nostalgie und aus Freude. Und weil aus einem der schönsten Bücher (wie oft ich mir das aus der Bücherei ausgeleihen habe, damals…) ein schöner Film geworden sein könnte:


(Direktwild, via Nerdcore)

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