Am Samstag wandert der engagierte Kapitalismuskritiker in der BRD durch Frankfurt und Berlin um eine andere Welt zu erlatschen. Wohl dem, der da im Vorfeld seinen Rhythmus gefunden hat.
Den Berlinern kann dabei am Freitagabend geholfen werden. Rainer von Vielenspielt in der Stadt auf und macht unter anderem die Revolution tanzbar:
Ich hab mir irgendwann mal vorgenommen, hier nichts zu posten, was eh überall zu finden ist. ich weiß, dass das manche quasi als einen verrat an der idee der vernetzung im online-universum sehen. mir egal. genauso wie mir dieses selbstbeschränkung jetzt egal ist. denn andererseits will ich hier nur sachen bringen, die mir wichtig sind. und das ist hier so. denn das unten folgende ist das beste lied, das es über dieses kleine kaff, in dem ich nun auch schon ein weilchen lebe und in dem ich eine familie gegründet habe, im moment gibt. ich habe es vor einer woche, als ich krank im bett lag und mich so durchs web klickte das erste mal gehört (nennt mich late adopter) und als Video gesehen und war sofort begeistert. Und ddieses Video zum besten Lied zum kleinen Kaff ist auch ein sehr gutes . Deshalb auch bei mir:
Was man gern mal im Fernsehen sehen würde, aber eben nicht zu sehen bekommt, lässt einen in der Regel die Flimmerkiste eher als Relikt einer vergangenen Zeit behandeln.
ABER:
Die wunderbaren Popkulturaufarbeiter, die ménage à trois der Internetmeme, die nomnomnom-Lieben eben, haben ab Samstagnachmittag vor, 24 Stunden am Stück Fernsehen zu schauen.
Und das in Zeiten des Internets!!!
UNFASSBAR!!!
Und weil sie ein bisschen Schiss vor diesem Retro-Marathon haben, haben sie echte Briefe ins Land gesandt, um andere mit auf die Couch zu holen. Da sind dann dabei: Nerdcore René, Jeriko, Julie Paradise, Miss Sopie, Benjamin Nickel (aka Der Tierpfleger), pasQualle, Retroaktiv Ben, der Logopäde, Nilzenburger, Peter Noster und ich. Die einen mehr so virtuell, die anderen kommen echt und leibhaftig ins Nomer-Hauptquartier und schauen dann, was so in der Glotze läuft und bloggen dazu live auf nom24.
Vor rund 48 Stunden ging es in den Popsplits auf rbb um den Song “Life’s a beat” von Plan B. Es ging also um einen Song von Johnny Haeusler.
Ich kannte Plan B nicht. Also zwar weiß ich, dass es die gab und kannte auch schon die Story, wie sie mal Vorgruppe vonThe Clash wurden. Aber musikalisch habe ich mir, ehrlich gesagt, nie die Mühe gegeben, Plan B. kennenzulernen. in der Nacht auf Samstag aber, nachdem ich beim ndr gesehen hatte, dass Nana Mouskouriweint ein Buch über Prokratination geschrieben hat, hab ich reingeschaut bei den Popsplits. Voll der Punk war meine Idee von Plan B, von wegen Clash-Support und so. Und dann war das aber gar nicht so. Im Gegenteil, mich erinnerte das doch alles an eine andere Band. Sogar an dem Punkt, an dem Johnny erzählt, die Plattenfirma fand das 1993 voll doof, dass er mit verzerrter Stimme singt, dachte ich, aber das haben DIE doch damals auch gemacht. Jetzt habe ich ein bisschen Plan B gehört und mit denen verglichen und ich bleibe dabei:
Ich mochte die mal ganz arg. Trotz Hannover. Ich hab einige großartige Konzerte von denen erlebt, zu ihrer Musik geknutscht und so weiter, manchmal auch teenie-esk einsam am Räucherstäbchen ein Tränchen verdrückt, während ihre Platten liefen.
Deshalb: Nichts für ungut, Johnny. Ich mein’s gar nicht so böse, wie es auf den ersten Blick aussieht. Ich mein’s eigentlich überhaupt nicht böse. Und hey, Dein “icy” hat die gleiche Motivation wie Wingenfelders “Rainy April Day” auf der “The Hearing and the Sense of Balance“.
Nun ja. Auch Fury in the Slaughterhouse sind so eine 90er-Nostalgie-Kiste und mittlerweile aufgelöst. Die 90er… Dieses komisch hippieske Jahrzehnt mit Neonfarben, Basecaps und Holzfällerhemden zwischen Nirvana und Mark ‘Oh. Meine Adoleszenz-Zeit. Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Wie Hannover.
Ich hatte schon sexuelle Erfahrungen mit nackten Frauen, bevor ich das erste Mal Musikfernsehen schauen durfte. Wir hatten zuhause nämlich nur drei TV-Programme, bis ich 15 war.
Dann gab es MTV und Ray Cokes und ich fand’s geil. Und hatte eine Geschäftsidee. Deutsches Musikfernsehen! Als ich diese Idee meinen medienerfahreneren Freunden vorstellete, sagten die: Gibt’s bald schon, soll VIVA heißen. Scheiße! Das ist nun auch schon wieder ein Weilchen her. Mehr Erfolg mit deutschem Musikfernsehen hatte der Nilz, wie er hier beschreibt.
Der Nilz beschreibt auch die 100bestenSongsallerZeiten auf seinem Blog (Da fehlen noch ein paar Plätze, aber das kommt). Das erinnert mich an die Zeit, als ich noch Radiomoderator werden wollte. Da gab es nämlich im ehemals wilden Süden in Kooperation mit dem auch schon verschwundenen Ostjugendradio DT 64 so ne Top 1000-Nummer beim heute dummfusionierten Radiosender SDR3, bei der die Hörer der beiden Hörfunkstationen ihre Lieblingslieder nannten und dann eben in tagelanger Arbeit diese 1000 und mehr Titel als Hitparade in Ultrakurzwelle abgefeiert wurden. So ähnlich ist es beim Nilz. Der hat sich nämlich bei seiner Top 100 auch Mitbestimmer gesucht. Ich zeichne bei Nilzens Schlagerparade für den Platz 28 verantwortlich.
Hier ist er (um mich folgend selbst zu zitieren):
Eigentlich bietet Billy Corgan im neuen Jahrtausend mit Zwan und Soloprojekt und fragwürdiger Reunion genug Angriffsfläche, um ihn nie nie nie in eine Bestenliste guter Musik mit aufzunehmen. Und spätestens nach “Adore” waren seine Varianten des ewig gleichen Sounds erschöpft, alles folgende ist traurige Einöde. Letztlich bleiben die Smashing Pumpkins ein Phänomen der 1990er, welches lediglich aus Nostalgiegründen heute noch hörbar ist. Mit einer Ausnahme: Disarm.
Auch wenn diese schaurig traurigschöne Ballade sicher bei der einen oder dem andern zu oft durch die Boxen lief, die Einfachheit und der Pathos (die sich zugegebenermaßen recht leicht auf die Akkustikgitarre dort und Streicher mit Glocken hier zurückführen lassen), die hier eine seltene Symbiose eingehen, bleiben in dieser speziellen Mischung herausragend. Auch wenn es letztlich selbstmitleidiges Geheule ist, das die schwere Kindheit heranzieht, um die eigenen Schweinereien zu entschuldigen, soviel Schmerz, Sehnsucht, Trauer und Liebe gab es selten in einem kleinen und so eingängigen Lied, “Disarm” ist dabei die Antithese von Nirvanas “Smells like teen spirit”. Beide haben eine gewisse Rotzigkeit, aber während Cobains zu große Hymne trotzig ist, zelebriert “Disarm” die spätpubertäre Verletzbarkeit. Zu Kurt Pogo tanzen, bei Billy knutschen (und dabei auch ein wenig an D’arcy denken), obwohl das Lied vom Wehtun kündet.