Mash my book up

Im Frühsommer fragte mich Sven, ob wir von der Märchenstunde nicht etwas zum Thema Copy/Paste für die dritte Ausgabe des Architekturmagazins urban spacemag beitragen wollen. Ich wollte und habe (siehe unten) und seit kurzem ist das Magazin gedruckt und gestern kamen meine Belegexemplare und was soll ich sagen? Ich bin total begeistert! So fern mir Understatement liegt und so sehr ich zu meinem Text (siehe unten) stehe, es ist was Besonderes zwischen so viel großartige Gedanken ein paar Zeilen hineinkopiert zu haben.
Das Copy/Paste-Heft des urban spacemag ist ein Architekturfanzine, stilecht mit selbstgeklebtem Cover und tollen Stories. Über kopierte Städte, seriellen Orientalismus, urbanes Unkraut, Rekonstruktionsglaubensfragen, Urheberrechtsprobleme an Gebäuden und eben mein Text zu Copy/Paste in der (eurozentrisitischen) Literaturgeschichte, den ich, siehe unten, hier zweitveröffentliche. Freundlicherweise mit den tollen Bildern von Frederike Busch, die den gedruckten Artikel so aufwerten.
Freunde der Architektur, Freunde der Literatur, Freunde der Kulturgeschichte, Freunde des Copy/Paste, Freunde des Graubrots, kauft dieses Magazin!

CTRL-X, CTRL-V ist zwar eine moderne Abkürzung, das Prinzip dahinter aber findet sich schon in alten Rhetorik-Lehrbüchern. Covern klingt nach Pop und Rock, ist dabei auch nichts anderes als das Wiedererzählen ein- und derselben Story. Den ganzen Beitrag lesen

Armer Heinrich

Am Samstag findet bei der grünennahen Böll-Stiftung die Konferenz mit barcamp-Anteilen “netz:regeln” statt, Co-Veranstalter ist der der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM).
Auf die peinliche anfängliche Nullquote von Frauen auf dem Podium wurde von Anne schon ausführlich hingewiesen. Damit ist aber nur ein irritierender Punkt der Veranstaltung, die die Typographie ihres Titels einigermaßen halbinspiriert bei der re:publica geklaut entlehnt hat, benannt:

Ein kleinerer ist der, dass die Böll-Stiftung in ihren Einladungen die Anmeldung nicht ausschließlich, wie die mitveranstaltenden Industrielobbyisten netzaffin über mixxt.de, sondern lieber über ein eigenes Webformular erbeten hat. Während ein Account bei mixxt.de mit einer Mailadresse recht datensparsam erstellt ist, verlangt das Formular der Stiftung obligatorisch zur Mail noch die volle Postanschrift und optional Telefonnummer und Fax. Hallo Datenschutz?

Von größerer Bedeutung aber ist, wie bei Anne schon angedeutet der Titel und mit ihm die Programmgestaltung.

Natürlich ist auch eine Vereinbarung, das nichts geregelt wird schon eine Regel (für alle, die’s ganz genau nehmen), allerdings ist “Netzregeln” durchaus zu lesen als Kampfbegriff der BITKOM gegen weitreichende Netzneutralitätsforderungen, wie sie beispielsweise in der grünroten Initiative “Pro Netzneutralität” von Malte Spitz und Björn Böhning vertreten wird. Dieser kann mensch durchaus kritisch gegenüber stehen, dennoch sei hier erinnert an die Äußerungen von BITKOM-Geschäftsführer Bernhard Rohleder nach einer Sitzung der Projektgruppe “Netzneutralität” der Enquetekommission “Internet und Digitale Gesellschaft” des Bundestages im August, der lieber von “Netzdifferenzierung” sprechen will.

Am Samstag wird es nun zwei Panels zur Netzneutralität geben.
Eines, das mit “Neutral bis zum Kollaps? Netzneutralität und Internetwirtschaft” schon eine reichlich suggestive Überschrift erhalten hat und mit Thomas Jarzombek (MdB CDU, IT-Unternehmer), Alexander Görlach (CDU-nah, The European Blog), Nikolaus Lindner (Leiter Government Relations bei Ebay, die “Pro Netzneutralität” unterstützen) und Wolfgang Kopf (Leiter Politik und Regulierung der Deutschen Telekom AG) nur bedingt kontrovers und vor allem komplett ohne Nutzerbeteiligung besetzt ist.
Das andere, im Anschluss an das erste stattfindende Panel stellt dann wohl den Gegenpol zum ersten dar: “Netzneutralität: Netzwerkmanagement aus Sicht der Nutzer/Verbraucher”. Es diskutieren: Dr. Iris Henseler-Unger (Vizepräsidentin Bundesnetzagentur, die ja so eigene Vorstellungen von Netzneutralität haben), Lutz Donnerhacke (AK Zensur), Dean Ceulic (eco - Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V.), Annette Mühlberg (Referat E-Government, Neue Medien bei ver.di) (angefragt) und Markus Beckedahl (angefragt).

Eine Vermittlung von gegensätzlichen Positionen findet so nur erschwert statt und das Agendasetting wird wohl aus reinen Abfolgegründen dem ersten Panel obliegen, während das zweite Gefahr laufen kann, nur noch auf das erste zu reagieren. Mein Gefühl, dass sich die Jungs in Panel 1 einiger sein werden als die zweite Runde, mag Paranoia sein, ich frage mich aber schon, warum hier ein Industrieverband (ich frage mich das mit Hinblick auf Interessenspluralität, unabhängig von deren Netzneutralitätsposition) mit von der Partie ist, während die Nutzer dort außen vor bleiben.

Ich werde den Eindruck nicht los, dass die Böll-Stiftung hier nicht nur beim Thema Gender gepennt und das Thema Datenschutz nicht allzu sensibel bedacht hat, sondern sich auch noch weitgehend bei der Programmgestaltung auf BITKOM verlassen hat.
Aber vielleicht geben die anderen Panels, die Selbstbeteiligungselemente und die hoffentlich in Vielzahl teilnehmenden Frauen dem Tag noch eine buntere, emanzipatorischere und kritischere Wendung. Wenn BITKOM schon die Begriffe besetzen darf, können wir ja wenigstens die Inhalte füllen.

Geistige Gemeingüter

Ich habe einen Fehler gemacht heute am Vormittag.
Ich habe auf Twitter einen Tweet gelesen, den ich gut fand und deshalb mit meinem Onlinenetzwerk teilen wollte (warum ich den Tweet gut fand, ist im Folgenden kein Thema).

Fremde Tweets teilen im Sinne von anderen zur Verfügung stellen, geht auf verschiedene Weise.
Eine wäre ein automatisierter Retweet. Das hat aber den großen Nachteil, dass aus mir nicht näher bekannten technischen Gründen durch die Automatisierung dieser Retweet nicht in die ebenfalls automatisierte Weiterleitung meiner Tweets zu meinem Facebookaccount gelangt wäre. Da ich aber wollte, dass dieser Tweet auch meinen Facebookfreunden bekannt wird, musste ich ihn manuell retweeten. Dazu kopierst du den zu retweetenden Tweet in deine Tweeteingabezeile und fairerweise gibst Du dazu noch an, woher du den Tweet hast.
In meinem Fall haben der alte Tweet plus die Nennung des Twitterers aber nicht in die 140 Zeichen eines neuen Tweets gepasst, weshalb ich den alten Tweet etwas gekürzt habe. Da das nun kein genauer Retweet, kein exaktes Zitat mehr wahr, habe ich ihn nicht als solchen gekennzeichnet, sondern den Twitterer des Quelltweets in einer “via”-Angabe genannt.
Das war aber auch blöd, weil “via” irgendwie meist nur einen Linkhinweis oder ähnlich geringe Teilmengen eines Fremdtextes belegt, aber selten ein Quasizitat. Ich will das zukünftig besser machen.

Unabhängig davon haben einige meiner Follower und deren Follower entweder mein “via” überlesen und/oder beim weiteren Retweeten weggekürzt.
Ebenfalls unabhängig davon ist mein Tweet mit via auf der Twitterstartseite gelandet.
Beides hat mir beziehungsweise meinem Twitteraccount heute erhöhte Aufmerksamkeit beschert, was mir ja einerseits recht ist, andererseits mit fremdem Federschmuck einhergeht.

Ohne dass ich davon wusste, hat parallel zu all dem mein geschätzter Kollege @mspro bei Twitkrit zu den angeblichen und realen Plagiatfällen in unserem Twitterbuch geschrieben und dabei kühn behauptet, Twitter sei ein schönes Laboratorium um ohne Urheberrecht miteinander und mit unseren Texten klarzukommen. Wie recht er hat.

Ein Punkt in seinem Text und in der Kommentardebatte danach finde ich besonders bedeutend:
Twittern ist wie Klosprüche, wie Aphorismen, wie Spontispruchsammlungen. Auch ein Hippie muss mal Pipi und dergleichen. Da bricht sich die Weisheit und Dummheit der Massen Bahn. Gerne in Wortspielen. Und ich sag mal auf Hippie reimt sich jetzt nicht soviel. Das ist jetzt keine besondere Leistung, sich den Spruch auszudenken. Und insofern auch kein Wunder, wenn der von verschiedenen Menschen “erfunden” wird. Und wenn Hippies gerade Trending Topic sind, geschehen solche Erfindungen schon mal zeitglich, ohne dass es von einander klauen ist.

Dazu kommt, dass durch Retweeten und ähnliches ganz schnell einerseits technisch durch das Verhalten bestimmter Twitterclients oder andererseits durch absichtliche und unabsichtliche Nachlässigkeit eines Retweeters in der Retweetkette die Quelle am Anfang der Kette unter den Tisch fällt. Alle, die dann später den Tweet rezipieren, haben gar keine Chance mehr, nachzuvollziehen, wo der Text herkam, der möglicherweise trotz all seines Witzes nicht nur einer Person eingefallen war, weil das Thema gerade nahelag.

Obwohl ich am Vormittag etwas krampfig meine Quelle angab, fiel ein Teil der Aufmerksamkeit auf mich, weil irgendwo außerhalb meines Einflussbereichs meine etwas krampfige Quellennennung flöten ging. Dabei war ich’s gar nicht. Ich hab nur weitergeplappert.

Nicht hinter jedem vermeintlichen Plagiat steckt also kriminelle Absicht. Erst recht nicht, wenn es um so kleine Textfragmente wie Tweets geht.
Die Literaturtheorie hat längst herausgearbeitet und anerkannt, dass wir in einem ständigen Bezugsystem aus Texten leben, unsere Gedanken und Äußerungen ohne die Gedanken und Äußerungen anderer gar nicht möglich und immer davon beeinflusst sind. Es gibt keinen Originaltext, immer nur Fortschreibungen. Und je kleiner die Textmenge desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass sich Vorgängertrext und Folgetext sehr sehr ähnlich sind.
[Exkurs] Ist eigentlich schon wer auf die Idee gekommen, zu prüfen, wie viele der “Ich hasse Montage”-Tweets oder “Wetter ist scheiße”-Tweets wortgleich sind, um die jeweiligen Twitterer dann des illegalen Kopierens zu bezichtigen? [/Exkurs]
Und je schneller fortgeschrieben wird, umso schneller gerät der Stammbaum des Textes in Vergessenheit. Twittergeplapper ist etwas schneller durcherhitzt als beispielsweise die Tradition des sehr berühmten Faust-Stoffes. Aber wer weiß schon, dass Goethe sich da hat inspirieren lassen? Sicher noch einige. Aber wer weiß, von wem alles und wer alles sonst diesen Stoff vor Goethe publiziert hatte? Na? Originale geraten in Vergessenheit, der Stoff aber bleibt aktuell.

Genau deshalb ist es auch Blödsinn, von geistigem Eigentum zu sprechen.

Eigentum ist eine Kategorie aus der Welt der materiellen Güter und da vom Besitz zu unterscheiden. Nehmen wir das Beispiel “Buch”.
Ich kaufe mir ein Exemplar unseres Twitterbuchs. Damit bin ich Eigentümer dieses Exemplars. Sobald ich es meiner Nachbarin leihe, besitze ich es solange nicht mehr, bis ich es zurück bekomme. Eigentümer bleibe ich aber, ich habe es ja nicht weiterverkauft oder verschenkt. Den Inhalt des Buches kann ich aber weder besitzen noch als Eigentümer halten, denn der ist ja in allen Exemplaren des Buches identisch. An dem haben alle teil, die das Buch lesen, ob sie es nun gekauft haben oder nicht.
Und wer das Buch liest, hat die darin enthaltenen Tweets in seinem Kopf. Die Leser werden vieles vergessen, vielleicht auch doof finden. Aber ganz sicher, wird das Gelesene Spuren in ihren Gedanken hinterlassen. Und wenn aus den Gedanken Äußerungen werden, finden sich diese Spuren darin wieder. Sei es als Zitat, als Anspielung, als Thema oder als ungekennzeichnete Vollübernahme (vulgo Plagiat).

Würde das Eigentumskonzept bei Texten oder Tweets als den Produkten geistigen Schaffens greifen und wären diejenigen, die einen Text/Tweet erfunden haben die Eigentümer ihres geistigen Schaffens, müssten sie diese Texte/Tweets von ihren Lesern zurückbekommen können, wie ich das Buch als physikalisches Ding aus Papier von meiner Nachbarin zurückbekomme, nachdem sie es gelesen hat.
Das funktioniert aber eben nicht, denn der Leseeindruck und damit der Text bleiben bei meiner Nachbarin wie bei allen Rezipienten.
Und was die dann aus ihren Leseeindrücken machen, liegt an ihnen. Wenn sie nett sind, machen sie Quellenangaben beim Weiterverwenden.

Das ist übrigens eine sehr akademische Weise, mit Vorgängertexten umzugehen. In der mündlichen Kommunikation lassen wir die Literaturhinweise spätestens nach “Die Bekannte eines Bekannten meiner Schwester hat gesagt” aus Bequemlichkeits- und Zeitersparnisgründen meist weg und keinen stört’s. Und Twitter ist in all seiner Geschwätzigkeit schon sehr nah am Oralen.

Aber dennoch: Wenn die Textrecycler nett sind, machen sie Quellenangaben beim Weiterverwenden. Und dann kann es ihnen doch gehen wie mir heute am Vormittag. Sie treffen auf automatisierte und humanoide Recycler recycleter Texte, die warum auch immer diese Nettigkeit nicht mehr bis ins x-te Glied zurück bedienen und werden auf einmal zu Autoren, die sie nicht sind und Plagiatoren, die sie nicht sein wollen.

Und jetzt müsste ich als Mitherausgeber eines urheberrechtlich geschützten Twitterbuchs eigentlich noch hinterherschieben, wie ohne geistiges Eigentum dennoch zu rechtfertigen ist, mit Texten Geld zu verdienen. Ich müsste mich zum Thema Urheberrecht verhalten. Das ist ein weites Feld. Nur soviel: Mit den Texten wird meiner Meinung und Erfahrung nach nur schwer Geld verdient, verdient wird mit der Darreichungsform und der Exklusivität der Veröffentlichung sowie der Werbung drumrum.
Das war vor der Digitalisierung einfacher, weil Texte an physische Medien gebunden waren und das Drucken und Nachdrucken etwas länger dauerte als heute ein einfaches Retweeten. Siehe dazu auch Marcel Weiß, insbesondere diesen Text.

Im Falle unseres Twitterbuches:
Die Tweets inklusive aller Zitate, Kopien, Plagiate und StudiVZ-Gruppennamen, die wir als solche nicht erkannt haben, weil selbst unser intertextuelles Wissen begrenzt ist, sind nicht unsere kreative Leistung.
Unsere kreative Leistung (wie auch immer ihr deren Qualität bewerten wollt) ist die Auswahl und die spezifische Zusammenstellung in den Kapiteln des Buches und der Reihenfolge sowie die Drumherumtexte.
Der Verlag wiederum stellt Geld, Papier, Satz, Druckaufträge, Marketing, Distribution und ähnliches Verlagsknowhow, um dass alles auf ein physikalisches Medium namens Buch zu bekommen. Diese Investitionen will er wieder (am besten mit Gewinnplus) reinholen. Das kann er, weil es diese Inhalte in dieser Form nur in diesem Buch gibt, dass obendrein im Moment nur als relativ aufwändig zu kopierendes Papierprodukt gibt und offenbar ein bestimmtes Interesse am Markt besteht, diese spezifische materialisierte Form der Tweetsammlung zum vorgeschlagenen Preis zu kaufen.
All das ginge wohl auch ohne Urheberrecht. Meine Meinung. Nicht zwingend die des Verlags.

Datenschutzpendel

Ein paar Grundlagen der Interpretationstheorie zeigen schnell, wie unwichtig und vor allem ohnmächtig in der Kommunkation (vom persönlichen Gespräch/Streit bis zur Weiterverwendung von Daten) die Autorintention schon immer war.
Es gibt die eine richtige Interpretation nicht. Jede Aussage hat Leerstellen, die wir als LeserIn/HörerIn/SeherIn (RezipientIn) mit unserem Wissen füllen müssen oder können, um etwas für uns sinnvolles daraus zu machen. Der Satz “Ich kaufe eine Kartoffel.” sagt ja beispielsweise nichts aus über die Kartoffelsorte (Linda, mehligkochend, bio, …), den Kaufort (Wochenmarkt, Discounter, Saatguthändler) oder den Kaufgrund (der beim Bauern ein anderer sein mag als beim Hobbykoch). Ohne mein Wissen um die Umstände der Äußerung dieses Satzes (wer hat das wann wem erzählt) kann ich die Dimension der Aussage nur sehr vage definieren und werde immer mein Wissen in diese Aussage hineinlegen (ich kaufe Kartoffeln nur bio, selten mehligkochend und nie als Saatgut), komme also zu MEINER Interpretation des Satzes, nicht aber unbedingt zur Intention des Sprechers.
Aber, um es an Umberto Eco angelehnt zu formulieren (der vom “Gebrauch” als negativem Gegenpart zur Interpretation spricht): Es gibt Über- und Fehlinterpretationen. Und die geschehen immer, wenn ich einer mir außenstehenden Information entgegen der in ihr enthaltenen Daten mehr von mir und meinem Wissen, meinen Intentionen anhänge, als es die Leerstellen ebendieser Information eigentlich erlauben (ich kann nicht eindeutig bestimmen, welche Kartoffel oben wofür gekauft wurde). Plump gesagt: Es gibt viele richtige Interpretationen einer Aussage, viele schwierige und viele falsche.

Datenschutz sollte m.E. die richtigen Interpretationen nicht verhindern, bei den schwierigen vorsichtig abwägen, aber gegen die falschen, insbesondere, wenn sie Selbstbestimmungsrechte verletzen, wirksam werden.

Und wir als Datenverbreiter sollten die vielen so nicht intendierten und dennoch richtigen und einige der schwierigen Interpretationen der von uns in die Welt gesetzten Informationen alle aushalten und abschätzen lernen.

Was nun aber richtig, schwierig und falsch ist, lässt sich leider nicht pauschal sagen, hängt von der einzelnen Information, ihrem Sender und Empfänger und dem zum jeweiligen Interpretationsmoment zur Verfügung stehendem Zusatzwissen ab.
Heute würde ich sagen: Wo ich gerade rumhänge, geht die Öffentlichkeit nichts an, wenn ich das nicht kundtun will. Mein Mobilfunkprovider braucht die Info aber, um das Handy im Netz zu halten. Aber wehe, der bringt die an die Öffentlichkeit. Nicht sein Job. Sollte er das dennoch tun, will ich ihn dafür drankreigen können. Oder: Die Vorteile des deutschen Lieblingsbeispiel zum Thema “Google Street View” schätze ich persönlich höher als die Privatsphäre einer Hausfassade. Wer aber zur Zeit der Aufnahme durch das Google-Auto in meinen Vorgarten gepinkelt hat, muss nicht alle Welt sehen können. Oder so.

Der Kontrollverlust über die eigenen Daten ist aufgrund der Nichteindeutigkeit von Informationen und ihre Einbindung in die Kommunikationssituation schon immer gegeben, konnte noch nie ganz verhindert werden und wird mit jedem Mehr an Informationsfluss schwieriger.
Dennoch muss er nicht total sein und kann allgemein vernünftigen Regeln (hermeneutisch, semiotisch, kommunkationstheoretisch, such dir was aus) unterworfen werden. Im Konkreten (und damit juristischen) aber sind diese Regeln einer sehr komplexen und stetig fließenden Realität anzupassen.
Diesen Punkt bedenkend muss Datenverbreitung und -verarbeitung geregelt werden, braucht die tendenz zum Kontrollverlusst, tendenziell funktionierende Kontrollmechanismen. Und zwar so, dass es das Individuum so weit schützt wie nötig und ihm so weit nützt und so viel ermöglicht wie möglich. Weil Daten Machtverhältnissen unterworfen sind.

Schon Herbst?


(cc)

Reden wir über ein echtes Wahlkampfthema: Das Wetter.

Mein Bruder hat früher konsequent jede Unterhaltung abgebrochen, wenn sie zum Wetter kam. Wer übers Wetter redet, hat nichts zu sagen, so seine Begründung. Ich hingegen muss übers Wetter reden. Ständig. Ich habe eine sehr emotionale Beziehung zu Luftdruck, Luftfeuchte, Windgeschwindigkeit und Niederschlagsmengen. Für mich wurde das Kachelmann-Format bei den Tagesthemen erfunden.

Ganz besonders heikel für mich ist, wenn das Wetter auf Herbst umschwenkt. Ich will Sommer.

Ich will ewig am See liegen und im See schwimmen, behütet von einem lieblichen Schäfchenwolkenhimmel und bei 23 Grad Celsius Wassertemperatur. Ich will nach dem Baden kein Handtuch benutzen, sondern vom Sommerwind trocken werden. Abends einen leichten Sonnenbrand auf der Stirn. Nachts das Fenster offen haben und dem Sommerregen dabei zuhören, wie er etwas Abkühlung in unsere staubige Straße bringt.

Insofern ist der September eine heikle Zeit. Mit dem nächsten Wetterumschwung ist es vorbei mit der Herrlichkeit. Dann wird der Regen unangenehm kalt und hartnäckig, dann ist es nicht mehr lang zu den ewig grauen Tagen mit den tief hängenden blickdichten Wolkendecken und den Nebelfeldern. Dann besteht das Leben wieder aus öden Tiefdruckgebieten.

Solange aber die Sonne scheint und das Thermometer am Küchenfenster schon morgens an der 18 Grad-Marke vorbeiklettert und das Deo bereits um 9:00 in der Früh versagt, solange nehme ich jeden Sommersekunde mit, als könnte es die letzte sein. Und nebenher schau ich verstohlen in die Wettervorhersage und hoffe, dass es in 14 Tagen wirklich noch einmal knapp 29 Grad werden und ich die Badehose einpacken kann.
Dieser Selbstbelügungsquatsch von wegen goldener Oktober und die als Gemütlichkeit getarnte Flucht vor der Winterdepression in aufgewärmten Weihnachtsmarktalkohol kommt noch früh genug. Solange gilt: Bleibt mir weg mit Lebkuchen!

Männlich, bärtig, jung sucht.

Auf dem Politcamp09 war es DAS Flurthema. Nun tauchte es immer öfter in meiner Twittertimeline auf. Die deutsche Online-Elite prokrastiniert mit Onlinedating. OKCupid.com, der kostenlose Datingservice2.0 ist der neue heiße Shice.
Wobei, das Portal gibt’s ja schon eine Weile. Nur in Deutschland hat es angeblich erst gerade mal 100.000 User.
Das besondere daran ist übrigens, dass es so anders ist als übliche Datingseiten (achso…?). Das muss ich testen.
Den ganzen Beitrag lesen

Wie war’s eigentlich auf dem Politcamp09, Björn?

Was mspro sagt.
Wobei ich viel weniger mitbekommen habe, da ich ja nur am Freitagabend und am Sonntag da war.

Die Twitterlesung war so. Nächstes Mal im Stehen. Im Sofa fehlt Präsenz und der Augenkontakt zum Publikum.

Am Freitag war ich geschockt über die ganzen Jungparteipolitiker und der verschwinden geringe Anteil an politisch denkenden Menschen ohne Parteibuch. So ging’s mir dann zu unserer Session am Sonntag (siehe mspro oben) anfangs auch, gegen Ende war’s schön zu sehen, dass mensch auch mit Parteibuch kritisch denken kann.
Das gefiel mir auch bei der sonntäglichen Elefantenrunde zum Onlinewahlkampf. Ich habe selten erlebt, dass Politiker ihre Parteigenossen/freunde auch mal implizit für inkompetent erklären. Gut, es war nur auf dem belanglosen Feld der Nutzung von Twitter und Co., aber hey. Immerhin. Ich habe von dieser Elefantenrunde allerdings irgendwie immer noch den Eindruck, dass die auf dem Podium nur so teilmotiviert waren, weil sie genau wissen, dass die Netzbewohner eine vernachlässigbare Größe im Kampf um Wählerstimmen sind. Zu wenige, zu jung, zu irrelevant. Hat zwar keiner gesagt, ist aber wohl so, wenn wir mal so Daten wie Netznutzung und Bevölkerungsstruktur heranziehen.
Schön erfrischende Session zum doofen Thema Blogger und Journalisten von Dirk Baranek und Don Dahlmann. Danke Jungs!

Bei den Gesprächen abseits der Sessions mal wieder kapiert, um was es wirklich geht im Netz. Branding, SEO, Kohle. Alles andere ist süß und naiv. Ich auch.
Bei den Gesprächen abseits der Sessions doch die Systemfrage gestellt. Immerhin haben wir mal darüber geredet.
Eine tolle Nacht gehabt.

Partycrashing

Oder: Die Partei und das Netz, warum die Parteien es nicht in die neue Welt schaffen werden.
Während sich die Parteien fragen, wo denn in diesem Internet ihre zukünftige Klientel auf Ihre Botschaft wartet, wenden sich immer mehr junge Leute von der aktiven Politik ab. Gerade unter netzaffinen Menschen scheint die Motivation sich in Parteistrukturen einzuordnen, besondern niedrig zu sein. Warum die Partei - als eine spezielle Organisationsform von Demokratie - dieser anderen des Internets grundlegend widerpricht, wollen Micha und ich gerne am Sonntag in einem Workshop auf dem Politcamp09 thesenhaft bearbeiten.
Ich habe zu diesem Thema heute einen Text bei Spreeblick veröffentlicht.

(Ich verspreche hiermit, nicht JEDEN meiner Spreeblick-Artikel hier zu bewerben und auch Graubrotexklusivcontent hier zu liefern)

Nein

Warum ich heute beim Volksentscheid in Berlin mit Nein stimmen werde, habe ich bei Spreeblick argumentativ unterfüttert.

Ich schreibe dort jetzt übrigens hin und wieder was. Und das freut mich. Sehr. Ich wohne auch viel näher an der Spree als die neuen Kollegen.

Produktionsmittel vergesellschaften

Achtung, dieser Text handelt von Twitter (Beispiel). Es ist also ein Web2.0-Insider-Text. Über Twitter, wie gesagt. Nur zur Vorwarnung.

Die Verstaatlichung von Privateigentum hat einen ganz großen Haken. Den nämlich, dass der Staat zwar theoretisch aus seinen Bürgern hervorgeht, praktisch aber meist durch die Regierung repräsentiert wird, die die Bürger auch in Demokratien eher wie Untertanen behandelt. Verstaatlichung bedeutet also meist, dass ein paar wenige, die meist von der Materie des jeweils Verstaatlichten keine Ahnung haben für die Bürger, mithin die Gesellschaft die Sache übernehmen. Und “für” meint nicht “zum Guten”, sondern “anstelle von”. Verstaatlichung ist also platt gesagt scheiße, wenn der Staat nicht in meinem Sinne handelt. Und wann tut er das schon.
In diesem Sinne unterscheidet sich dann auch Vergesellschaftung von Verstaatlichung. Wenn Privateigentum vergesellschaftet wird, gehört es wirklich allen. Und alle müssen sich dann auch drum kümmern. So einfach im Prinzip. Auch wenn es im Detail viele Fragen zu klären gibt (wie geht das, dass ALLE sich kümmern?), ich mag Vergesellschaftung sehr, wenn sie sich auf Dinge bezieht, die aus welchen Gründen auch immer ihrem Wesen nach Allgemeingut sind oder diesem ähneln.

Und wo mal wieder alle fragen, wann unser aller Lieblingsspielzeug des schnatternden Interwebs, Twitter, von wem (Google?) gekauft wird, weil das Spielzeug kostet ja Geld und ewig wird Twitter nicht irgendwelche Kohle verbrennen dürfen, kam mir die Idee:

Lasst uns Twitter vergesellschaften!

Warum soll so ein geiles Kommunikationswerkzeug in die Hände eines Konzerns oder von Banken geraten? Warum kaufen WIR das Ding nicht? Wir Twitterati?
Weil Träumer wie ich zu identi.ca gehören? Weil WIR uns das gar nicht leisten können?

Können wir nicht? Selbst wenn wir nicht revolutionär enteignen, sondern Twitter gemeinsam kauften (am liebsten zu einem Betrag der mit 140 losgeht), die paar hundert Euro, die wir Millionen Nutzer jeweils einzeln hinlegen müssten, entsprächen über die Zeit gerechnet, jedem üblichen Pro-Account bei anderen Services. Das ginge schon irgendwie, würden alle Seiten wollen.
Überhaupt: Wir Twitterati sind die Arbeiter der Firma und ihre Kunden. Wir sind im Plapper-Business wie eine landwirtschaftliche Kommune oder eine Genossenschaft. Wie Obstwiesenbesitzer, die im Herbst ihr Obst in die gemeinsame Kelter bringen, um dort gemeinsam Saft herzustellen, den dann jeder wieder mit nach Hause nimmt. Wir tragen unsere 140 Zeichen zu Twitter, dort werden sie mit den 140 Zeichen anderer vermengt und wir nehmen einen neuen Text mit zu uns.
Mit dem blöden Unterschied zu einer echten Genossenschaft, dass uns der Laden nicht gehört.
Das könnten wir ändern. Aber wahrscheinlich müssten wir rasend schnell sein.

Nur so ein Gedanke.
Von wegen Demokratisierung des Netzes und so.
Und wenn das mit Twitter geklappt hat, machen wir mit den anderen Social Networks weiter. Bis das Web uns Nutzern gehört. Schöne neue Welt.

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