Anfang und Ende eines gewöhnlichen Tages

Der Morgen begegnet mir als abgehalfterte, Peter Stuywesant rauchende Frau. Sie oder er, also Frau oder Tag, elende Androgynie, hat einen splissigen Vokuhila und trägt Jeanskutte. Wahrscheinlich ist sie oder er auf dem Weg in Tanjas Trinkstübchen. Dort hört sie dann zu gepflegten Getränken Def Leppard, was ja irgendwie zu ihrer oder seiner Frisur passt. Die Welt steht still. Dann läuft eine verschleierte Baglady durchs Bild, deren Beschreibung als (altmodisch) Land- oder Stadtstreicherin oder (vielleicht gar nicht zutreffend?) Obdachlose nicht annähernd ihre Mühe mit all ihren Taschen beschreibt. Taschen, die wiederum nur Taschen beinhalten. Jute und Plastik. Ich wusste gar nicht, dass es diese traurig-schrägen Spediteurinnen von Handtransportmitteln auch mit Migrationshintergrund gibt. Was für ein Unterschied so ein Tag schon am Morgen machen kann. Währenddessen putzt auf einem Balkon am Haus gegenüber des Gerichts ein alter Mann sein Gewehr. Junge Anwältinnen sitzen im Straßencafé darunter und trinken Latte Togo.

Ich hätte nie geglaubt, dass das geht, aber sie rennt in ihren Jesuslatschen atemberaubend schnelle und behende die Rolltreppe hinab, umkurvt drei Reisende und zwei mal zwei Bahnpolizisten und springt gazellengleich auf die Treppe zum nächsttieferen Geschoss. Ich merke hingegen, es läuft sich viel besser ohne Nagel im Turnschuh. Aber schlecht bei Unterzuckerung. Als ich dem Imbißbudenbetreiber beim Zubereiten meiner schlussendlich öligen Speise zuschaue, frage ich mich, ob er auf dieser Liste steht. Ich kaufe vier Bier zum Essen. Später nehem ich noch einen Snack aus der Friteuse. Es wird kein Käse sein. Dann die Herrentoilette des Fastfoodrestaurants. Ich weiß nicht recht, warum, aber ihre grelle Neonatmosphäre lässt mich an die Dusche dieser Turnhalle drüben auf dem Hügel denken. Wie ich dort damals den Halt verliere und langsam über ihren großen Busen abrutsche in den Rinnstein. Ich dachte, ich sei jemand anderes. Und ich bleibe einfach liegen. Auch heute im Stroboskoblicht hier am Urinal. Da steht eine Menschenmenge und glotzt. Einfach nur liegen bleiben.

Kondomautomat gegen Impotenz


(cc-by-nc für mich von phil. danke!)

Nie wieder Spandau

Spandau Woolworth

Bis jetzt war Spandau für mich nur eine Zugdurchsage bei der Durchfahrt von Berlin nach Westdeutschland und andersrum. Spandau sagte mir nichts, interessierte mich nicht. Animositäten zwischen Spandau und Berlin habe ich völlig antriebslos und müde manchmal als Neuberliner adaptiert, aber eigentlich war mir Spandau egal.

Bis jetzt. Bis der Verwandtschaftsbesuch einen Bummel durch die Spandauer Altstadt und vor allem zur Zitadelle wünschte.

Ich wusste nicht, dass das Reutlingen, Pforzheim oder Kassel der 90er hier im Nordwesten der Bundeshauptstadt so perfekt konserviert wird. Die Tristesse der westdeutsch-provinziellen Nachkriegsarchitektur trifft auf die ewig gleichen allzeit von der überfälligen Insolvenz bedrohten Warenhäuser und Ramschläden. Und machmal versucht sich jemand am individuellen Gewerbetrieb, scheitert aber schon an der Namensgebung für die eigene Firma. “Boutique It’s OK“, was erwartet mensch da für Klamotten? Heißen Scheiß? Ich glaube nicht, Tim.
Kurzum, die Spandauer Altstadt versteckt ihr kleines historisches Potential gekonnt hinter Unmengen potthässlicher Neubauten und unzähligen White-Trash-Konsumtümpeln. Weg hier.

Hey, aber die Zitadelle! Da sagen doch alle, das lohnt sich. Nun ja.

queen's toilet

Versteckt an der hässlichen Ausfallstraße inklusive Industriegebiet könnte die Zitadelle wirklich ein schön gelegenes und imposantes Denkmal des preussischen Festungsbaus sein. Wäre da nicht eben jene Ausfallstraße mit Industriegebiet, die an einigen Punkten lückenhafte Information zur Zitadelle selbst (Rudolf Hess?), der blöde Zitadellen-Slogan “Mehr als eine Festung”, das für jeden halbwegs historisch bewanderten grausam geschichstverfälschende pseudohistorisch kochende Restaurant mit Kicherkicherwirtschaftswunderaltherrenhumor-Malereien auf den Toiletten und, saisonal bedingt, der noch grausamer geschichtsverfälschende Mittelaltermarkt im Innenhof. Und die Zukunft lässt nicht hoffen, sie erscheint auf kultureller Ebene Bi-Ba-Baby-gnadenlos.

Aber über all das könnte man lachen, es leicht überheblich als schrägen Ausflug in die Provinz abtun. Dazu würde dann auch das Abendessen aus frittierten Steaks zu Gummi-Bratkartoffeln und Fertigsahnesoße im “urigen” Lokal mit den gepflegten Bieren passen (und wieder: back to the 90ies!). Aber es geht schlimmer. Und jetzt ist es bitter ernst.

Um 20:30 Uhr versuchen wir am Karfreitag 2009 vom Rathaus Spandau aus über die dort vorbeiführende und stark befahrene mehrspurige Straße zum örtlichen Bahnhof zu gelangen. Die Fußgängerampel bietet sich für dieses Vorhaben an. Wir warten auf grünes Licht. Die sturzbesoffene adipöse Einheimische nicht. SIe läuft. Um Zentimeter wird sie nicht von einem beschleunigenden Bus erfasst, andere Autos halten mit quietschenden und qualmenden Reifen. Sie geht über die Straße, setzt sich in eine Buswartehäuschen, pinkelt auf die Bank und bleibt sitzen.
Wir gehen in den Bahnhof. Ich schwöre, ich habe in bald sechs Jahren Berlin noch nie so früh am Abend so viele völlig betrunkenen Jungendliche gesehen. Die Jungs sehen alle aus, wie ausm kik-Katalog, die Mädels sind mit “nuttig” noch charmant beschrieben. Die Kids sind aggressiv, sie pöbeln herum, sie torkeln, als sei die Party zu Ende und nicht erst der Beginn der Nacht.

Wir wollen hier weg. Ich fühle mich ganz ernsthaft nicht sicher hier, vor allem nicht mit einem kleinen Kind im Kinderwagen. Wir fragen am Informationsschalter der Bahn nach der nächsten Verbindung in Richtung Berlin. “Dit kann ick ihnen nich sagn mit all die Baustellen.”

Das ist kein Witz. Das war Spandau.
Nie wieder. Jedenfalls nicht, wenn ich ohne Sozialplan vorbeikomme.

Und da glauben alle, Neukölln wäre schlimm.

Bei mir

Manchmal fühlt es sich so richtig und gut an, dieses Erwachsensein:

Im letzten Abendlicht im Garten stehen und die Beete gießen.

Meine re:publica09-Nachlese

Das Outro als Intro
Die re:publica-Abschlussfeier und Sascha Lobos Followerparty habe ich so intensiv mitgemacht, dass ich am Wochenende re:generieren musste. Montag und gestern hätte ich nur abends Zeit gehabt fürs Resümee. Was ich an Montag gemacht habe, ist aus dem vor diesem Post veröffentlichten Zeug ersichtlich. Gestern bin ich wie ein alter Mann auf dem Sofa eingeschlafen. Solche Feiern wie auf der re:publica stecke ich einfach nicht mehr einfach weg. Aber ich liebe sie. Ich brauche solche positiven Heterotopien. Danke Euch allen, Gastgeber und Mitmirfeiernde!

Die soziale re:publica
Ich pöbel per Twitter ins Netz, ob mir jemand zur re:publica meine neuen Lieblingspralinen aus der Schweiz mitbringt. Kcu schlägt mir vor, Peter Hogenkamp zu fragen. Ich folge dem erstmal auf Twitter, spare mir die Frage. Er bietet mir ungefragt an, das Zeug zu besorgen. Als Gegennaturalie lade ich ihn zur Currywurst ein. Er bringt neben den extrem leckeren Pralinen zwei Mitarbeiter zur Wurstbude mit. Kurz: Ich habe virtuell und unpersönlich rungeschnorrt und am Ende lerne ich drei sympathische Jungs kennen. Mit einem davon, Moritz, führe ich später noch ausdauernd gute Gespräche.
Die re:publica ist DER Ort, an dem virtuelle Kontakte real werden (ich habe keine Erfahrung mit Online-Partner(tausch)börsen). Und das gerade war nur ein Beispiel aus einigen schönen Neukontakten. Ein Beispiel, wie schnell und unkompliziert sich Menschen neu kennen lernen können. Über normalerweise bestehende Grenzen wie Ort, Alter, Job etc. hinweg, by the way.
Die re:publica vernetzt.
Und im Vergleich zu anderen mir bekannten Konferenzen ist hier Netzwerken nicht nur geschäftsorientiert. Ich habe durchs Bloggen und durch die ersten zwei re:publicas liebe Freunde und Bekannte, die aus ganz Deutschland kommen. Wir sehen uns (selbst der Berliner Teil der Runde) unter den Monaten nicht mal einfach auf ein Bier. Hier aber ist ein Termin und ein Ort, der uns zusammenführt. Das ist schön. Ich <3 euch nämlich. Wie wichtig das Netz für die reale Kontaktpflege ist, hat Jan sehr anschaulich vorgetragen (und dazu noch ein paar andere gute Vorschläge). Die re:publica ginge also am Netz vorbei, wäre sie kein Klassentreffen.
Aber dafür bräuchte es kein Konferenzprogramm.

Die politische re:publica
Ich habe aber auch einiges gelernt dank dieses Programms. Als Jakob Augstein vom Freitag auf dem Panel zum Wandel der Medien sinngemäß sagte, dass Blogs journalistisch nicht relevant sind, weil die Journalisten, die politischen Einfluß haben, diejenigen sind, die von den Politikern ernst genommen werden, und dass das alles Printjournalisten sind, wurde (nicht nur) mir klar: Es ist egal, wie politisch die Blogs ind Deutschland sind, solange sie sich kein Gehör bei der Politik verschaffen. Und das geht nicht nur mit ins eigene Blog pupsen. Das geht nur wenn Blogger neben dem Bloggen weitere politische Aktionen machen. Sei es, einen Brief an die Familienministerin zu schreiben.
Sei es, um in den Kämpfen um Kopierschutz und Urheberrecht nicht nur für uns selbst zu schreiben, sondern auch zu agieren. Lawrence Lessig hat rhetorisch brilliant die Notwendigkeit aufgezeigt, dass wir auf diesem Feld tätig werden müssen, wenn wir moderne Kulturtechniken des Netzes (Stichworte: Remix und Kommentar) nicht weiter kriminalisieren wollen.
Aber hey, für legale Video-Remixe auf Youtube kämpfen, ist das wichtig? Ist das nicht furchtbar popkuluturell und unpolitisch? Nein, ist es nicht.
Es ist ein Legalisierungskampf für genau die Kulturtechniken, mit denen junge Menschen im Nahen Osten im klassischen Sinne Aufklärung betreiben und Portest gegen die dortigen Regime organisieren. Esra von mideastyouth.com hat eindrücklich beschrieben, dass für sie und ihre Freunde/Kollegen ins Internet schreiben der Kampf für Freiheit, Menschenrechte, Frieden zwischen den Religionen (für viele unglaublich, aber: Muslime(!) reden im Web als Freunde mit Juden(!) und anderen Andersgläubigen) und letztlich der Kampf ums pure Leben ist. Das ist hochbrisant und allemal existenzieller als die Copyright-Wars der westlichen Webhemisphäre.
Doch im Mittleren Osten führen sie ihren Kampf eben mit globalisierten Techniken der Popkultur und meist übrigens auf Webseiten, die im “Westen” gehostet werden. Selbst wenn wir das Netz nicht gleich zur Weltrevolution nutzen und nur für so soften Blödsinn wie Video-Remixe kämpfen, können wir damit anderen in existentielleren Fragen eine Unterstützung sein. Aber wir müssen mehr tun als politisch bloggen. wir müssen als Blogger Politik machen.
Es mag banal klingen und wahrscheinlich wussten das alle anderen schon vor der re:publica09, aber ich habe das dort gelernt.

Die wissenschaftliche re:publica
Die Urheberrecht-Debatte, die ich oben schon anschnitt, tobt ja nicht nur bezüglich illegaler MP3-Downloads oder Youtube. Gerade im Wissenschaftsbetrieb wird dank Open Access heiß und kontrovers darüber diskutiert. Und gern wird die freie, unendlich kopierbare Kopierbarkeit von Wissen im Netz als gefährlich und kulturzersetzend dargestellt. Dass diese Kopierbarkeit und Freiheit von Wissen aber jahrhundertelang wunderbar funktionierte, bis durch den Buchdruck mit beweglichen Lettern (und dem damit entstehenden Wirtschaftszweig des Verlagswesens) einerseits fixierte und damit nachprüfbare Information breiteren Massen zugänglich wurde, andererseits eben die Verbreitung dieser Information durch die Verlage zu deren (und meist nur zu deren, nicht aber des Urhebers) Vorteil sanktioniert wurde, das ist mir erst durch Sabria Davids Vortrag “Märchen als User Generated Content” klar geworden (auch wenn Lawrence Lessig diesen Aspekt der nicht-elitären oralen Kulturvermittlung schon ca. 21 Stunden früher ansprach, hier bei Sabria ist bei mir der Groschen gefallen). Genauso wie die damit verbundene Erkenntnis, dass diese Sanktionierung kulturgeschichtlich mit ihren ca. 500 Jahren verdammt jung ist. Es gab vor dem Urheberrecht Kultur und es wird sie danach geben.
Dank der re:publica09 habe ich einen Zusammenhang zwischen meinem (historisch orientierten) Studium und meinem (hypermodernen) Hobby gefunden. Und Argumente für die Diskussion zu diesem Thema im wissenschaftlichen Diskurs.

Die weibliche re:publica
Aus dem Augenwinkel überblickt waren noch mehr Frauen auf der Konferenz als in den Jahren zuvor. Und ich muss das wissen. Ich finde das gut. Weil ins Internetschreiben was für Menschen ist und nicht nur für Männer. Und auch wenn es dazu dieses Jahr noch keine Veranstaltungen gab, vielleicht ist diese gefühlte Entmännlichung der Weg hin zu künftigen Panels über zeitgemäße Genderfragen. Wo, wenn nicht im Netz verschwimmen Geschlechterbilder und -rollen? Wieso nutzen wir dieses Verschwimmen nicht, um fürs Real Life die Heteronormativität einwenig zu dekonstruieren?

Womit wir bei der Zukunft wären:
Wünsche für die re:publica10
Nochmal bei Männlein und Weiblein: Wenn die sich lieb haben, entstehen Kinder. Kinder und Interntaktivität müssen vereinbart sein. Kinderbetreuung während der re:publica wär toll.
Wo wir bei Kindern sind: Dieses Mal waren “Muttiblogs” Thema für den virtuellen Geschlechterkampf. Ich würde gerne mal über den Datenschutzaspekt beim Übers-Kind-ins-Interweb-schreiben reden. Wieviel Schutz der Privatsphäre brauchen Kinder vor ihren bloggenden Eltern? Dieses Panel melde ich hiermit schonmal an fürs nächste Jahr.
Was ganz anderes: Von Anfang an W-Lan nur in Arbeitsräumen, nicht aber bei den Keynotes und Panels. Diese Internetlosigkeit auf der Internetkonferenz war zwar aufgrund ihrer Ungewolltheit ungeheuer nervig, aber eigentlich toll. Die Menschen bekommen so echten Kontakt (vgl. die soziale re:publica).
So beta ein shift-happens-Programm auch sein mag, etwas mehr Sorgfallt für das online-Programm wäre echt schön. Beim gedruckten Programm ging’s doch auch.

Fazit gegen mein Vorurteil
Ich fand das Programm im Vorfeld langweilig. Zu viele Wiederholungen aus den letzten beiden Jahren. Ich fand die Ausweitung auf den Friedrichstadtpalast doof. Ich habe bis zum Schluss nicht verstanden, warum im Online-Programm kein Abschlusspanel stand. Am Anfang hat mich das fehlende W-Lan tierisch genervt. Bis Freitagfrüh dachte ich, dank der mir selbst eingebrockten Twitterlesung würde ich von der Konferenz nix mitbekommen. Nach dem Märchenpanel, spätestens aber bei den Gesprächen auf den freitagnächtlichen Partys habe ich gesehen, wie viel mir diese drei Tage doch wieder gegeben haben. Danke, re:publica. Du bist ein tolles Ding. Ich habe oben versucht, das warum zusammenzufassen. Und habe doch noch so viel vergessen (Denkt nur mal an Folofel!).

terremoto

Ist schon komisch, mit unserem Mitgefühl. So richtig nahe gehen uns Sachen immer dann, wenn wir einen persönlichen Bezug haben.

1997 im September sind meine Tante und Onkel mit ihren damals kleinen Kindern in ihrem Ferienhaus in Umbrien. Die circa zweihundert Jahre alte Ruine und damit meine Verwandschaft überlebt das schwere Erdbeben, dessen Epizentrum keine 50 Kilometer entfernt ist und bei dem halb Umbrien und die Marchen inklusive unwiederbringlicher Kulturschätze in Trümmer zerfallen, viele Menschen Heim, Hab und Gut verlieren und 12 von ihnen sterben.

31. Oktober 2002. Seit rund vier Wochen lebe ich nun unweit von Pescara am Rande des Apennin. Ich befinde mich in einem Keller als die Erde bebt. Das Epizentrum liegt dieses Mal in Molise, rund 130 Kilometer entfernt. 30 Menschen, darunter eine komplette Grundschulklasse, sterben. Ich habe vom Hauptbeben nichts mitbekommen, vielleicht, weil Beben unter der Erde nicht so zu spüren sind? Ich weiß es nicht. Aber die Nachbeben reißen mich aus dem Bett, vom Schreibtisch. Dieses widerliche Schaukeln, wie auf einem Schiff, dass aber keines ist. Die Erfahrung, dass der Erdboden keine Sicherheit bietet. Viel unangenehmer: Das geht alles so schnell. Immer nur ein paar Sekunden. Gar keine rechte Zeit, was zu tun. Fliehen oder so. Ich wohne damals in einem mehrstöckigen Mietshaus an einem Steilhang. Unschönes Gefühl.
Dazu die Trauer um mich herum. Viele, mit denen ich hier zu tun habe, kommen aus Molise, haben Bekannte in San Giuliano di Puglia, wo die Kinder starben und auch sonst das Beben am schlimmsten war.

L’Aquila, wo nun die Erde bebt(e), liegt geographisch zwischen den beiden vorangegangenen Beben in Mittelitalien. Ich habe abgesehen von diversen Durchfahrten und einem Ausflug zum Gran Sasso keinen direkten Bezug dorthin. Aber drum herum. Zeitlich wie örtlich. Mir geht diese Katastrophe näher als andere. Unlogisch, so sind Emotionen.

Ich will helfen. Aber wie? Bei Facebook gibt es eine entsprechende Gruppe. Da kann ich mich solidarisch zeigen. Nun gut… Dort gibt es Adressen von Blutspendestationen in der Gegend. Ich bin aber in Berlin (wobei auch hier eine Blutspende helfen kann). Und es gibt ein Spendenkonto des Italienischen Roten Kreuz. Auslandsüberweisung nach Italien sind nicht so schwer. Immerhin.

Produktionsmittel vergesellschaften

Achtung, dieser Text handelt von Twitter (Beispiel). Es ist also ein Web2.0-Insider-Text. Über Twitter, wie gesagt. Nur zur Vorwarnung.

Die Verstaatlichung von Privateigentum hat einen ganz großen Haken. Den nämlich, dass der Staat zwar theoretisch aus seinen Bürgern hervorgeht, praktisch aber meist durch die Regierung repräsentiert wird, die die Bürger auch in Demokratien eher wie Untertanen behandelt. Verstaatlichung bedeutet also meist, dass ein paar wenige, die meist von der Materie des jeweils Verstaatlichten keine Ahnung haben für die Bürger, mithin die Gesellschaft die Sache übernehmen. Und “für” meint nicht “zum Guten”, sondern “anstelle von”. Verstaatlichung ist also platt gesagt scheiße, wenn der Staat nicht in meinem Sinne handelt. Und wann tut er das schon.
In diesem Sinne unterscheidet sich dann auch Vergesellschaftung von Verstaatlichung. Wenn Privateigentum vergesellschaftet wird, gehört es wirklich allen. Und alle müssen sich dann auch drum kümmern. So einfach im Prinzip. Auch wenn es im Detail viele Fragen zu klären gibt (wie geht das, dass ALLE sich kümmern?), ich mag Vergesellschaftung sehr, wenn sie sich auf Dinge bezieht, die aus welchen Gründen auch immer ihrem Wesen nach Allgemeingut sind oder diesem ähneln.

Und wo mal wieder alle fragen, wann unser aller Lieblingsspielzeug des schnatternden Interwebs, Twitter, von wem (Google?) gekauft wird, weil das Spielzeug kostet ja Geld und ewig wird Twitter nicht irgendwelche Kohle verbrennen dürfen, kam mir die Idee:

Lasst uns Twitter vergesellschaften!

Warum soll so ein geiles Kommunikationswerkzeug in die Hände eines Konzerns oder von Banken geraten? Warum kaufen WIR das Ding nicht? Wir Twitterati?
Weil Träumer wie ich zu identi.ca gehören? Weil WIR uns das gar nicht leisten können?

Können wir nicht? Selbst wenn wir nicht revolutionär enteignen, sondern Twitter gemeinsam kauften (am liebsten zu einem Betrag der mit 140 losgeht), die paar hundert Euro, die wir Millionen Nutzer jeweils einzeln hinlegen müssten, entsprächen über die Zeit gerechnet, jedem üblichen Pro-Account bei anderen Services. Das ginge schon irgendwie, würden alle Seiten wollen.
Überhaupt: Wir Twitterati sind die Arbeiter der Firma und ihre Kunden. Wir sind im Plapper-Business wie eine landwirtschaftliche Kommune oder eine Genossenschaft. Wie Obstwiesenbesitzer, die im Herbst ihr Obst in die gemeinsame Kelter bringen, um dort gemeinsam Saft herzustellen, den dann jeder wieder mit nach Hause nimmt. Wir tragen unsere 140 Zeichen zu Twitter, dort werden sie mit den 140 Zeichen anderer vermengt und wir nehmen einen neuen Text mit zu uns.
Mit dem blöden Unterschied zu einer echten Genossenschaft, dass uns der Laden nicht gehört.
Das könnten wir ändern. Aber wahrscheinlich müssten wir rasend schnell sein.

Nur so ein Gedanke.
Von wegen Demokratisierung des Netzes und so.
Und wenn das mit Twitter geklappt hat, machen wir mit den anderen Social Networks weiter. Bis das Web uns Nutzern gehört. Schöne neue Welt.

Stroh zu Gold

… können wir zwar auch (noch) nicht machen, aber Sascha Lobo und wir von Twitkrit sind die Meister der Verwandlung von auf 140 Zeichen begrenzter Sprachkunst in einen bunten Abend aus Kalauern, pubertärem Humor, Insiderwitzen und versteckten Perlen.

Wir nennen das Twitterlesung. Und die gibt es das nächste Mal zur re:publica am Donnerstag. Und auch wenn die re:publica ausverkauft ist, wir lesen Tweets für alle!

Wie gesagt: am Donnerstag, ab 21 Uhr, in der Kalkscheune, schon wieder in Berlin.

Märchenstunde 2: Der Froschkönig

Es war einmal vor nicht allzulanger Zeit, da saß Max mit mir in meinem gemütliche Kaminzimmer und wir lasen wieder ein Märchen. Dieses Mal haben wir uns den Froschkönig vorgenommen. Und was soll ich sagen?

Dieses Märchen ist provokant, wenn nicht gar pervers. Schokierende Textanalyse plus wissenswerte Nebenfakten über die Brüder Grimm, griechische Lehnwörter, Äpfel und ein paar andere Dinge in unserer zweiten Märchenstunde.

Pages: Prev 1 2 3 4 5 6 7 8 ...17 18 19 Next